Wenn die Durchsage im Flugzeug darauf hinweist, man möge sich gut festhalten, da die Landebahn verschneit und zudem sehr kurz sei, weiss man: Man landet im hohen Norden. Tromsø liegt nördlich des Polarkreises und steht kurz davor, in die Polarnacht überzugehen. Welche Highlights mein kürzlicher Aufenthalt in Tromsø bereithielt, erzähle ich dir hier.

Auf der Suche nach Aurora
Tromsø gehört zu den Orten mit den weltweit besten Chancen, Nordlichter zu sehen – wäre es nur nicht so bewölkt. Wir landen um 11 Uhr, als es gerade hell wird. Durch den metertiefen Schnee stapfen wir zum Bus, um ins Städtchen auf der anderen Seite der Insel zu kommen. Im Touristeninformationszentrum lassen wir uns beraten, wo und wann die Aurora am ehesten sichtbar sein könnte. Man empfiehlt uns eine geführte Tour, die uns ab 17.30 Uhr mit dem Bus auf die Jagd nach klaren Himmelsfenstern schickt. Da wir uns bei den vereisten Strassen und der tiefen Dunkelheit nicht selbst ans Steuer trauen, sagen wir zu – und sind im Nachhinein sehr froh darüber. Ohne Guide hätten wir die wenigen wolkenfreien Löcher am Himmel nie gefunden.
Vier Stunden lang fahren wir bis nach Finnland. Bei -21 Grad steigen wir aus, in unsere dicksten Winterkleider eingepackt, und stapfen in den Schnee. „WOOOOOW! You are so lucky!“, ruft der Guide. Ich blicke nach oben und sehe … nichts. Pechschwarzer Himmel. Die Augen, heisst es, müssten sich erst daran gewöhnen. Und tatsächlich: Nach einer Weile zeichnet sich ein zarter, hellgrauer Schleier am Himmel ab. Auf dem Handy? Leuchtend grüne, tanzende Lichter.
Die romantische Vorstellung, selbst unter strahlenden Nordlichtern zu stehen und sie mit blossem Auge in voller Farbenpracht zu sehen, löst sich damit in Luft auf. Als wir erfahren, dass man die Aurora meist nur dank Langzeitbelichtung wirklich farbig erkennt und das menschliche Auge oft nicht einmal das Grün wahrnimmt, ist der Zauber dahin. Nun ja – we did it for Instagram. Dort verraten wir natürlich nichts von der ernüchternden Realität.


Ein Tag bei den Samis
Mein absolut überteuertes, aber dennoch Lieblings-Highlight der Reise nach Tromsø ist der Besuch einer Rentierfarm. Die Einführung in die Kultur und den Lebensstil der Samis – des indigenen Volkes Nord-Skandinaviens – ist spannend, doch insgeheim freue ich mich vor allem darauf, die unzähligen Rentiere aus nächster Nähe zu sehen und zu füttern. Für 140 Franken bekommt man das volle Programm: Führung, Schlittenfahrt und eine Portion Suppe. Die Rentierfleisch-Suppe lasse ich allerdings bewusst aus. Das wäre mir dann doch eine Spur zu makaber.
Als ich schliesslich zwischen den Tieren stehe, sieht man mir die Freude förmlich an. Für ein paar Stunden vergesse ich die klirrende Kälte und geniesse einfach diesen besonderen Moment. Die Schlittenfahrt würde ich jedoch nicht empfehlen, da es schöner ist, die Tiere hüpfend zu sehen, ohne dass sie arbeiten müssen.



Nordische Küche neu entdeckt
Wer denkt, dass es im hohen Norden nur Fisch gibt, irrt gewaltig. Auch wenn der Appetit in der permanenten Dunkelheit eher verhalten ist und man nie so genau weiss, ob man gerade Frühstück, Mittagessen, Abendessen oder bereits den Mitternachtssnack zu sich nimmt, hat Tromsø kulinarisch einiges zu bieten.
Neben Zimtschnecken haben wir im Koseverden & Koselig Café eine neue Obsession entdeckt: unglaublich leckere, gerollte Crêpes mit Sahne. So gut, dass wir fünf Tage hintereinander exakt dasselbe gefrühstückt haben.
Ein ordentliches Mittag- oder Abendessen (es ist ja sowieso immer dunkel) bekommt man im Egon oder in der Pastafabrikken. Ungewöhnlich ist allerdings das norwegische Restaurantkonzept: Bestellt und bezahlt wird im Voraus an der Bar. Man setzt sich hin, wählt aus, geht nach vorne, zahlt – und bekommt das Essen anschliessend an den Tisch gebracht. Nach dem letzten Bissen kann man einfach wieder aufstehen und gehen. Eigentlich simpel, wäre da nicht die Sache mit dem Trinkgeld, das man geben soll, bevor man überhaupt irgendeine Form von Service erhalten hat…
Was bei einem Besuch in Tromsø nicht fehlen darf, ist ein Hotdog der berühmten Raketten Bar. Der Stand, der tatsächlich an eine kleine Rakete erinnert, ist bekannt als Norwegens kleinste Bar und serviert Rentier-Hotdogs aus einem winzigen Fenster heraus. Natürlich stehen auch wir eine Stunde dafür an. Ein kulinarisches Highlight ist es zwar nicht unbedingt, aber anscheinend gehört es einfach dazu. Fun Fact: Unser Kellner war sogar Schweizer.
Und wer genug von Rentier und Crêpes hat, kann immer noch bei McDonald’s einkehren. Der nördlichste McDonald’s der Welt serviert zwar dieselben Burger und Pommes wie überall sonst – aber wer kann schon von sich behaupten, jemals über dem Polarkreis ein Happy Meal gegessen zu haben?




Hotel-Tipp
Auch wenn die Insel Tromsø recht klein wirkt, braucht es trotzdem einen Bus, um bequem von einer Seite zur anderen zu gelangen. Unser Moxy-Hotel, direkt beim Flughafen gelegen, bietet eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Fjorde. Der Bus ins Stadtzentrum fährt zuverlässig und in kurzen Abständen. Mit einer Wochenkarte für 25 CHF kann man nach Belieben ein- und aussteigen – ideal, um die Insel flexibel zu erkunden.

Fjordzauber im Winter
Die norwegische Küste ist nicht nur für Nordlichter, sondern auch für ihre beeindruckenden Fjorde bekannt. Doch im Winter verabschiedet sich die Sonne hier für mehrere Monate fast vollständig. Aktuell geht sie gegen 11 Uhr auf – und bereits um 13:30 Uhr wieder unter. Während unserer fünf Tage in Tromsø zeigt sie sich nur ein einziges Mal. Genau diesen seltenen Moment nutzen wir für eine Fjordtour und besuchen einige eindrucksvolle Orte, an denen die Naturgewalten des Nordens perfekt zur Geltung kommen. Den Sonnenuntergang erwischen wir gerade noch – ein kurzer, aber magischer Augenblick.


Trollmuseum und Arctic Church
Wer in Tromsø nach weiteren Aktivitäten sucht, kann in den zahlreichen Museen hervorragend ins Warme flüchten. Wir entscheiden uns für das Trollmuseum. Mit Augmented Reality spaziert man durch eine liebevoll gestaltete Ausstellung, die sich den Fabelwesen und dem norwegischen Volksglauben rund um Trolle widmet. Man erfährt, wo in der Natur überall Trolle vermutet werden und weshalb sie für die Norweger eine besondere Rolle spielen. Das Museum ist klein – und wie so vieles im Norden ein bisschen zu teuer –, aber immerhin tauen dabei unsere Zehen wieder auf.
Sobald es eindunkelt, lohnt sich ein Spaziergang über die Tromsøbrua, die ikonische Brücke, hinüber zur Arctic Cathedral, deren Fenster im Schnee warm leuchten. Die Eismeerkathedrale aus dem Jahr 1965 ist ein wahrer Besuchermagnet und schon von weitem aus der Stadt zu sehen. Nicht weit davon entfernt liegt die Fjellheisen, die Seilbahn auf den Berg Storsteinen. Von oben hätte man einen fantastischen Blick über Tromsø und die umliegenden Fjorde – wäre da nur nicht dieser hartnäckige Nebel. Dreimal versuchen wir, ein kurzes Wolkenloch zu erwischen. Doch jedes Mal, wenn wir bei der Seilbahn ankommen, zieht der Nebel wieder zu. Für umgerechnet 47 Franken hinaufzufahren, um anschliessend nichts zu sehen, lohnt sich dann leider wirklich nicht.
Wer weisses Weihnachtsfeeling sucht und die Polarnacht einmal am eigenen Körper erleben möchte, sollte Tromsø unbedingt besuchen. Und wenn es doch zu kalt wird, kann man jederzeit in einer der Saunen direkt am Wasser aufwärmen – und sich im Anschluss im Polarmeer eine wirklich extreme Abkühlung gönnen.
Wer noch eine Packliste für Norwegen braucht, findet sie hier.






