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Sieht so der Geburtsort von Legenden aus? Von vorne schmuckloser Ziegelstein-Bau, von hinten Bruchbude – aber drinnen? Geschichte, Baby. Auch das Interieur wirkt angeschmuddelt, irgendwie noch klebrig von den Whiskygläsern von gestern, die Ringe auf dem Tresen hinterliessen – und genau darum ist dieser Musiktempel am Sunset Blvd in West Hollywood authentisch.

Heiliger Boden für Rockfans, doch den Eingang zum Musiktempel kann man am vielbeschäftigten Sunset Boulevard glatt übersehen.

Ich hab extra angerufen: muss ich reservieren? Eine totale relaxte Antwort: „Nein, Mann, brauchst du nicht.“ Cool, ich kann also einfach rein? „Ja, Mann, komm einfach, wir hängen dann hier ein bisschen ab.“ Am nächsten Abend stehe ich vor verschlossenen Türen. An der Hintertür räumt ein Typ den Party-Müll raus. Der bekiffte Telefonist. „Shit, Mann, das hatte ich glatt vergessen, dass wir heut‘ zu haben.“ 

Erster Tipp also: Mach eine Platzreservation. Vor allem, wenn du in einer der knallroten Leder-Booths versacken willst. Das Booking reicht vom Newcomer bis zum Top-Act. Hier zuckt vielleicht schon die nächste Legende durchs Mikro. Besorg dir also dein Ticket für dieses kulturelle Epi-Zentrum online. 

Hier schlug der Gegenkultur der Sixties die Geburtsstunde: Sex, Drugs & Rock’n’Roll! 

Sex, Drugs & Go-Go Boots

Was 1964 als erster Rockclub in Los Angeles begann, war schnell Epizentrum einer Bewegung. Go-Go Dancer? Hier erfunden. Weshalb die Womanizer Steve McQueen und Mick Jagger bald zu den Stammgästen gehörten.  Das obere Stockwerk war Denkfabrik, Partyzone, Mythen-Maschine. Die Stories kleben an den Wänden. Neben den goldenen Schallplatten von Live-Aufnahmen hier im Club.

Auf dieser Bühne standen Led Zeppelin, Alice Cooper, Prince, Guns’n’Roses – die Liste ist endlos. Autogramme dekorieren die Wände – an jedem normalen Abend kann man auch Filmstars wie Jason Momoa über den Weg laufen. 

Keine Fenster, natürlich. Legenden wie Jim Morrison lebten nur bei Nacht. „The Doors“ war 1966 die Hausband. Jim fiel bekifft von der Bühne, erfand dabei „The End“. Am nächsten Tag: gefeuert.  

Whisky-getränkte Legenden

Und Janis Joplin – sie wirkte auf Zeitzeugen, als habe sie einen Monat nicht gebadet. Sie bestellte: „I want the whole fuckin‘ bottle!“ Auch ihren letzten Drink hatte sie an der Whisky Galore Bar im Club, vier Shots Southern Comfort. Tags darauf: Overdose.

Der Barfood – vergiss es. Du kommst nicht zum Essen. Du wirst satt vom Sound und den Storys! Obwohl es unterdessen schwierig ist, Legenden von der Wahrheit zu trennen.

Musikmanager sitzen oben – beste Sicht. Denn auf diesen Brettern, die wirklich die Welt bedeuten, streben Jungtalente nach Erfolg. Und wenn die Bretter beben, kann man schon mal runterfallen. Jim weiss Bescheid. Und, ja, die Bühne ist überraschenderweise verdammt klein. Aber der Mythos riesig.

Mehr Kult-Orte am Sunset Boulevard

Viper Room

mycation Contributor Roland vor dem Viper Room – beinahe an der Wand kleben geblieben.

Gegenüber liegt noch eine berüchtigte Rock-Institution: The Viper Room. Johnny Depp war Mitbegründer. Sieht aus wie ein Abbruchobjekt. Ist aber Wallfahrtsort. Seit 1993 Jungstar River Phoenix am Drogen-Cocktail starb – direkt vor dem Eingang.

Hotel Ziggy

Du hast nicht das nötige Kleingeld fürs Chateau Marmont? Check im kunterbunten Ziggy ein. Bunt, laut, wild! In der Lobby spielen Acts gratis. Wird live übertragen. Am Pool flippen dann alle an der Sunset Party aus.

Mystery Pier Books

Wenn du deine Nase nicht nur ins Whiskyglas, sondern in ein Literatur-Werk stecken willst: der versteckte Book-Shop ist die Geheimadresse der Stars. Muss man erst mal finden – vom Sunset Strip in eine unscheinbare Gasse abbiegen – der mysteriöse Buchladen ist spezialisiert auf seltene Erstausgaben. Ein Beispiel: die First Edition von „The Old Man and the Sea“, signiert von Ernest Hemingway: für schlappe $3000. Daniel Craig shoppt hier. Der Besitzer flüstert mir: „Nice guy, aber kein grosser Dankesager.“ 

Fotoquellen: Roland Schäfli.

Roland Schäfli

Wenn der Abspann längst abgelaufen ist, fängt meine Reise als Filmjournalist an: Als Cinema Scout finde ich verlassene Drehorte und setze mich auf die Spuren von Kult-Filmern. Denn das Kino muss für Filmtouristen erst noch kartographiert werden!