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Warum sind im Dezember in Las Vegas mehr krummbeinige Cowboys zu sehen sind als irgendwo sonst? Die ikonische Neon-Version eines Cowboys, der an der Fremont Street aufleuchtet, ist in Las Vegas nicht die einzige Erinnerung an die Pionierzeit der USA: seit vier Jahrzehnten finden die National Finals Rodeo (NFR) in der Spielerstadt statt.

Im Dezember tauscht Las Vegas Glitzer gegen Staub (Unsplash).

Natürlich wird auch auf dieses Spektakel gewettet. Und die Reiter riskieren für astronomische Preissummen Kopf und Kragen. Zehn Tage – vom 4. bis 13. Dezember – wird das Las Vegas Convention Center zum staubigen Nabel eines Sports, der untrennbar mit der Western-Romantik der USA verbunden ist – obwohl er ursprünglich aus Mexiko „importiert“ wurde.

Die Top-Rodeos in den USA und Kanada

Auf dem Weg zum Weltmeister-Titel müssen sich die Reiter an den Rodeos abarbeiten, um sich für die NFR zu qualifizieren. In 37 Bundesstaaten (und drei kanadischen Provinzen) finden nicht weniger als 800 Veranstaltungen statt. Das sind die wichtigsten:

  • Frontier Days Prescott: besteht darauf, 1888 das erste professionelle Rodeo durchgeführt zu haben (weil erstmals Eintritt verlangt wurde). Bis heute sind „Frontier Days“ in Arizona (der Fun Contest des Melkens der wilden Kühe sorgt für maximale Heiterkeit) der Höhepunkt im Cowboy-Kalender. 200‘000 Besucher können das bestätigen.
  • Cody Stampede Rodeo: Die Stadt, die ihren Namen Gründervater William F. Cody verdankt, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Buffalo Bill, macht dem Stadtvater jedes Jahr zum 4. Juli Ehre. Das Westernstädtchen am Eingang des Yellowstone Parks nennt sich nicht ohne Stolz „Rodeo Capital of the World“. Eigentlich führte der schnauzbärtige Showman das erste öffentliche Rodeo 1882 ja in North Platte, Nebraska, auf. Auf Tournee hat der Zirkus-Entrepreneur das Cowboy-Handwerk bis nach Paris gebracht – und zur amerikanischen Kunstform erhoben.
  • Cheyenne Frontier Days: seit 1897 zelebriert ganz Wyoming an neun Juli-Tagen den Pioniergeist. Im Stadion finden 20’000 Fans Platz, zehnmal so viele Menschen pilgern zum Event.
  • Calgary Stampede: die Cousins in Kanada brauchen sich mit ihrer 10-tägigen Landwirtschaftsausstellung nicht zu verstecken: sie lockt jährlich eine Million Besucher an und bezeichnet sich selbst grossspurig als „Greatest Outdoor Show on Earth“.

Die Champions, die am Ende der halsbrecherischen Saison noch nicht verheizt sind, cruisen mit ihren Pferdeanhängern nach Las Vegas, um vor 170‘000 Fans unter sich auszumachen, wer die goldene Gurtschnalle des All-Around-Cowboy gewinnt. Organisiert wird das Finale von der PRCA (Professional Rodeo Cowboys Association), die sich selbstbewusst die „älteste und grösste Rodeo-Vereinigung der Welt“ nennt.

Hast du auch mal Lust, Yee-haa! zu schreien? Dann sattle dein Reisegepäck: Die NFR in Vegas ist Wildwest-Folklore zum Anfassen. Hier erfährst du alles, was du rund um Rodeo wissen musst:

Deine Cowboy-Netikette

Rodeo ist uramerikanische Folklore, und genau wie du am Schwingfest ein Edelweiss-Hemd trägst, musst du als Amateur-Cowboy diese einfachen Regeln beachten: 

Dein Respekt: Wird das Sternenbanner entrollt und die Nationalhymne gesungen, dann erhebe dich und halte deinen Hut über dem Herzen. Applaudiere, auch wenn der glücklose Reiter in den Staub purzelt. Denn wie der Speaker das Publikum wissen lässt, ist der Applaus „das einzige, was dieser Junge heute mitnimmt!“ Übrigens gehört mit dazu, dass die Wettkämpfer sich nach dem Sturz sofort aufrappeln und sich den Sand aus den Jeans klopfen. Keiner bleibt liegen – das ist Cowboy-Stolz. 

Deine Sprache: Sprich Cowboy-Lingo: sag „Yup“ statt “Yes” und “Nope” statt “No”. Und schrei “Yee-haa!” (das Äquivalent zu „Olé!“ beim spanischen Stierkampf), wenn der Buzzer ertönt und der Reiter die erforderliche Frist im Sattel geblieben ist. Wird der Cowboy auf dem rasenden Mustang hin- und her geschleudert wie ein Crash-Test-Dummy, dann kommentiere anerkennend: “What a ride!”

Dein Drink: ist es noch zu früh für einen doppelten Bourbon, kipp einen Sarsaparilla, der Soft Drink aus den Pioniertagen (der damals auch gegen Syphilis eingenommen wurde).

Tradition trifft auf Moderne: Cowboy-Hut auf dem Kopf, Handy in der Tasche.

Showcase eines harten Jobs: die sieben Rodeo Disziplinen

Ein Rodeo ist eigentlich nichts anderes als eine Werkschau. Die frühen Kuhtreiber führten es in der Stadt auf, um den City Slickers vorzuführen, wie hart sie ihre Dollars verdienten. Die Zähmung des Wildpferds gehörte ebenso zur Job Description wie das Einfangen von Kälbern zum jährlichen Markieren mit dem Brandzeichen. Diese Traditionen finden sich in den sieben Events und neun Championships, an denen die modernen Kuhhirten sich im Final die Zähne ausbeissen:

  • Bareback Riding: ohne Sattel auf dem bockenden Pferd, nur eine Hand am Ledergriff
  • Steer Wrestling (Bulldogging): Sprung vom galoppierenden Pferd auf den jungen Stier, der mit blossen Händen niedergerungen wird
  • Team Roping: Zwei Reiter mit perfektem Timing – einer fängt den Kopf des rennenden Stiers, der andere die Hinterbeine
  • Saddle Bronc Riding: im klassischen Stil und Rhythmus acht Sekunden im Sattel des Pferds bleiben
  • Tie-down Roping: nach dem Einfangen eines Kalbs abspringen und dessen Beine zusammenschnüren
  • Barrel Racing: in der Disziplin der Cowgirls zählt im Slalom um drei Tonnen jede Hundertstelsekunde
  • Bull Riding: acht Sekunden auf dem tobenden, unberechenbaren Bullen
Das Einfangen von Kälbern: Heute Show, eigentlich tägliche Arbeit für Cowboys.

Bullenreiten – nur für Tough Guys

Das Hornvieh wird schon aggressiv, wenn sich der Reiter im Käfig vorsichtig auf seinen baren Rücken herunterlässt. Natürlich passt dem Bullen auch der enge Strap nicht, der ihm den Unterleib abpresst. Wenn das Tor auffliegt, beginnt der Showdown von acht Sekunden. Was eine Ewigkeit ist. Oft ist nicht der kurze Ausflug auf dem Bullenrücken am gefährlichsten, sondern die Landung, wenn der Abgeworfene den fliegenden Hufen entgehen und der bunte Rodeo-Clown für Ablenkung sorgen muss.

Tiere sind Stars – Cowboys das Feindbild

Bei uns weitgehend unbekannt, gelten die Rodeo-Cowboys in den USA als Sportgrössen – vor allem, wenn sie durch lukrative Werbeverträge noch populärerer werden. Doch nicht nur die Zweibeiner sind Stars in dieser Manege. Auch die über 500 bockenden und galoppierenden Tiere zählen zu den Besten dieser Branche. 

Die Vierbeiner werden regelrecht gecastet – bewertet wird ihre Performance in den landesweiten Arenen. Klar, dass Pferde ausgesucht werden, die als „nicht reitbar“ gelten – und bei den Bullen kommen nur jene auf die Shortlist, die auf ihrem Rücken keine Zweibeiner leiden können!

Rodeo ist umstritten und in vielen Orten der USA verboten oder angepasst.

Gut möglich, dass das Traditionsfest sich wie der spanische Stierkampf dem Zeitgeist anpassen muss. Tierschützer überziehen Organisatoren mit Klagen. Die öffentliche Debatte läuft heiss, angefeuert durch Verletzungen von Tieren. In Los Angeles gilt bereits das Totalverbot. An anderen Orten werden die Disziplinen sanft angepasst – der Cowboy macht seinen Wurf und entlässt dann das Rindvieh – ohne es noch in den Staub zu werfen.

Roland Schäfli

Wenn der Abspann längst abgelaufen ist, fängt meine Reise als Filmjournalist an: Als Cinema Scout finde ich verlassene Drehorte und setze mich auf die Spuren von Kult-Filmern. Denn das Kino muss für Filmtouristen erst noch kartographiert werden!   

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Roland SchäfliRoland Schäfli10. Juni 2025