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Camping-Ferien liegen voll im Trend. Immer mehr Schweizer:innen wagen das Abenteuer und wollen die Wildnis auf einem neuen Level erleben. Im vergangenen Jahr besuchten laut TCS 900’000 Menschen die Schweizer Campingplätze. Auch auf Instagram sieht man zunehmend Videos von Creator:innen im selbst umgebauten Camper durch die Gegend düsen. Aber diese neun Tatsachen werden leider viel zu selten mit Freunden oder dem Internet geteilt:

Das Wetter kann die Ferien vermiesen

Wer glaubt, ein Regentag in den Sommerferien in Ibiza ist ungemütlich, musste noch nie ein Zelt auf einem nassen Boden befestigen. Ich war sehr froh darüber, dass wir diesmal den Wohnwagen hatten – die Erfahrung im Regen hab ich zuletzt beim Southside Festival gemacht. Klar ist bei beidem: Regen wird beim Campen sehr laut. Wenn man sich allerdings gut vorbereitet hat und es geschafft hat, das Innere trocken zu halten (oder sich ins Wohnmobil mit Decken und Kaffee zurückziehen kann), kann Camping auch bei Sauwetter wahnsinnig gemütlich sein.

Campen ist eine Beziehungsprobe

Egal ob mit dem Partner, der besten Freundin oder der Familie: Beim Campen verbringt man Zeit eng beieinander. Das Konfliktpotenzial ist hoch. Man lebt, isst, schläft, wühlt, flucht und schwitzt auf wenigen Quadratmetern – oft bei wechselhafter Witterung, mit begrenztem Stauraum und ohne Tür zum Zuknallen. Aber: Gerade durch diese Nähe entsteht auch etwas Besonderes. Man lacht zusammen über verlegte Autoschlüssel (oder nimmt Themen für die Paartherapie mit), flucht gemeinsam über den schrägen Stellplatz und findet am Abend doch wieder im Klappstuhl zueinander.

Ordnung halten ist eine Kunst

Du dachtest, du bist ordentlich? Geh campen und stell dir die Frage erneut. Ich hatte zwischenzeitlich das Gefühl, die ganze Zeit nur noch mit Aufräumen oder Suchen beschäftigt zu sein. Aber da man beim Campen oft kein Netz hat, hat man dann auch nicht unbedingt etwas Besseres zu tun. Trotzdem: Wenn du Campen richtig geniessen willst, solltest du Ordnung halten.

Auch aufgeräumt sieht es auf wenig Platz schnell chaotisch aus.

Duschen kann richtig anstrengend sein

Es gab Tage, da konnte ich drei Tage nicht duschen und alles in mir sehnte sich nach einem Strahl sauberem Wasser. Und es gab Tage, da ekelte ich mich vor dem Gang in die Gemeinschaftsdusche. Es gibt Campingplätze mit schönen sauberen warmen Duschen und es gibt andere, die weniger toll sind. Das Gute: Oft kann man an Tankstellen duschen und die sind meistens sauber. Und wer auf Nummer sicher gehen will, geht ins Schwimmbad, um die Duschkabine in Anspruch zu nehmen. Für uns wurde das Schwimmbad von Pinedale zum Highlight, weil wir dort zusätzlich zur Dusche im heissen Whirlpool entspannen konnten.

Es gibt nicht immer einen Laden um die Ecke

Mir ist mein Ladekabel unterwegs kaputtgegangen. Es hat drei Tage gedauert, bis wir eine Möglichkeit hatten, ein Kabel mit Lightning-Anschluss zu kaufen. Das gilt auch für Lebensmittel. Auch wenn es immer wieder Läden gibt, wo es das Nötigste hat (ein Kabel zählt offenbar nicht dazu), sind die Produkte oft teurer und die Auswahl klein. Tankstellen, Supermärkte & Co. müssen also in die Route mit einkalkuliert werden, wenn man nicht enden will wie bei «into the wild».

Stundenland ohne Laden geradeaus fahren? In Nevada kann das schnell passieren.

Offline sein kann wahnsinnig entspannen

Ich hatte also mehrere Tage keinen Akku und war nicht erreichbar. Das habe ich als Experiment genutzt, um zu sehen, was das mit mir macht. Am Anfang setzt Fomo (Fear of missing out) ein. Man verpasst, was auf der Welt los ist. Aber dann hab ich gemerkt, dass ich an Tag zwei wieder viel mehr Details an meiner Umgebung erkannte. Das glitzernde Licht im Tau des Morgens, Schmetterlinge, die vorbeiziehen, ein junger Hirsch, der zwei Meter von uns entfernt Beeren kaut, weil er (noch) keine Angst vor Menschen hat. Wenn man offline ist, sieht man alles mit den Augen eines Kindes und kann sich für Dinge begeistern, die so selbstverständlich sind. Seit ich wieder Akku habe, merke ich: Ich hab Fomo, weil ich die kleinen Momente verpasse.

Was tun ohne Empfang? Redaktorin Jenny hat das Malen wieder für sich entdeckt.

Die Momente vor Sonnenaufgang sind die schönsten

Die goldene Stunde bevor die Sonne aufgeht, ist vielleicht der schönste Moment am Tag. Gerade wenn man an touristischen Orten ist, wird es zum Sonnenuntergang extrem voll. Sonnenaufgänge sind aber meist genauso spektakulär. Doch noch besonderer sind die Momente davor, wenn alles in rötliches Licht getaucht wird.

Schöner als der Sonnenuntergang: Sonnenaufgang über dem Bryce Canyon.

Campen zeigt der Gesellschaft ihr Spiegelbild

Es gibt verschiedenste Arten zu campen und das zeigt sich auf dem Campingplatz. Wer mit dem VW Grand California angerollt kommt, hat quasi die Rolls-Royce Version der Camper. Ob Solarpanel, Dutch Oven, Weber-Gasgrill oder Espressokocher aus Titan – für manche ist der Vorplatz eine Bühne. Andere setzen auf Minimalismus oder DIY – aber auch das ist längst ein Statement. Gleichgesinnte erkennt man schnell: am geliehenen Akkuschrauber, an der Musik, an der Art, wie das Frühstück riecht. Man kommt ins Gespräch, weil der Kocher streikt oder der Wind das Vorzelt halb abgetragen hat.

Campen ist nicht Glampen

Wenn ihr nicht zu der Kategorie VW Grand California und Weber Grill zählt, dann werdet ihr feststellen: Campen bedeutet, man verzichtet auf Komfort. Zu meinem Leiden musste ich feststellen, dass ich keine sieben Zierkissen und Tagesdecken aus Musselin im Target kaufen darf, um damit unser Zuhause für drei Wochen noch gemütlicher zu gestalten (in weiser Voraussicht, die Ferien waren nämlich teuer genug). Beim Campen geht es darum, das Nötigste dabei zu haben.

Im Nachhinein bin ich froh, dass wir auf zusätzliche Kissen verzichtet haben, die wären eh nur durch das Wohnmobil geflogen und eine Sache mehr zum Aufräumen. Long Story Short: Die Rückbesinnung auf das Wesentliche habe ich mir auch nach dem Campen zum Ziel gesetzt. Meinen ersten Tag zurück in der Schweiz hab ich nämlich mit Ausmisten verbracht.

Jenny Wagner

Meine ideale Vacation ist die Lonelycation. Meine Reisen führen mich an abgelegene Seen, in stille Berglandschaften oder an einsame Küsten. Für mycation suche die unentdeckten und geheimen Flecken der Welt.