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Elefanten wurden in vielen Ländern Asiens als Nutztiere behandelt. Vor allem für den Transport und für die Landwirtschaft. 1989 wurde das zwar verboten, was dazu führte, dass viele Elefanten, die in Gefangenschaft aufgewachsen sind, keine Heimat hatten. In den 90ern war der Banana Pancake Trail eine beliebte Route für Backpacker und zahlreiche Touristen strömten ins Land. Dadurch entstand der Elefanten-Tourismus.

Systematische Gewalt mit Rebranding

Der Elefant verbeugt sich. Touristen klatschen. Dann malt er mit dem Rüssel eine Blume. Was aussieht wie ein Wunder der Natur, ist in Wahrheit oft das Resultat systematischer Gewalt: Der Einsatz von Bullhooks, Elektroschocks, Futterentzug und «Phajaan» – dem brutalen Ritual der psychischen Zähmung, das junge Elefanten bricht, um sie gefügig zu machen. Viele dieser Tiere werden nicht mehr in klassischen „Camps“ vorgeführt – sondern in „Sanctuaries“. Oder besser gesagt: in angeblichen Sanctuaries.

Da Elefanten in Asien als Nutztiere galten, kennen viele kein Leben in der Freiheit (Unsplash).

Was früher „Elephant Trekking Village“ hiess, nennt sich heute „Heaven“, „Paradise“, „Rescue Park“. Mit sanftem Wording, grünem Branding und der Illusion von Ethik. Die Tierschutzorganisation World Animal Protection stellt klar: „Rebranding ist ein globales Problem. Elefanten leiden oft weiterhin – nur das Marketing hat sich geändert.“ Auch PETA Asia warnt: „Viele dieser sogenannten Sanctuaries bieten nichts anderes als dieselbe Ausbeutung unter neuem Namen.“

Ich erinnere mich an einen Besuch in Chiang Mai vor einigen Jahren. Die Tiere standen in der Sonne, festgekettet. Ihre Bewegungen waren stereotyp, ihre Augen leer. Obwohl der Veranstalter das Camp als „ethisch zertifiziert“ verkauft hatte, fühlte sich alles falsch an. Dabei war das Elefantenreiten – die Elefanten in Einerreihe, mit Stockschlägen angetrieben – nicht einmal die übelsten Bilder. Wir Touristen haben schöne Fotos, die Kasse klingelt – aber für die Tiere bleibt es grausam, vor den Touristen und erst recht im Hintergrund. Dieses Spiel hat sich weiter professionalisiert. Websites, die Nachhaltigkeit versprechen. Logos im Bio-Label-Look mit Blättern und lachenden Elefanten. Und Reisebüros, die das Etikett übernehmen, ohne die Substanz zu prüfen.

Elefanten in Asien werden oft dazu gezwungen, mit Menschen zu baden.

Das Samui Elephant Kingdom versucht die Revolution

Jahre nach meinem Erlebnis in Chiang Mai stehe ich auf einer 400 Meter langen Holzplattform auf Koh Samui – im Samui Elephant Kingdom. Unter mir grasen Elefanten. Frei. Ohne Zwang. Keiner trägt einen Sattel. Keiner muss sich verbeugen. Und niemand fasst sie ungefragt an. „Wir wollen keine Begegnungen auf Zwang. Wir wollen Beziehungen auf Vertrauen. Wenn der Elefant sich zeigt, ist das ein Geschenk“, erklärt ein Ranger.

Die Plattform windet sich durch das weitläufige Gelände des Kingdoms – vorbei an Lehmkuhlen, Wasserstellen und schattigen Rückzugsorten, an denen Elefanten dösen, spielen oder sich mit Erde bedecken. Doch das Beeindruckendste liegt jenseits des Sichtbaren: Viele dieser Tiere leben nicht nur hier, sondern auch im nahen Dorf, bei den Familien ihrer Pfleger.

Das offenbart eine traurige Wahrheit: Diese Elefanten wurden nicht in Freiheit geboren. Sie kennen den Menschen, weil sie ihn seit ihrer Kindheit erlebt haben – oft unter Schmerz, manchmal mit Zuneigung, immer aber als festen Bestandteil ihres Lebens. Sie können nicht zurück in eine Wildnis, die ihnen nie gehörte. Aber: sie können frei leben – und sich frei entscheiden.

So auch hier: Am Abend verlassen die Tiere das Gelände und spazieren gemächlich ins benachbarte Dorf. Ohne Ketten. Ohne Stockschläge. Einfach so. Dort streifen sie durch die Gärten, legen sich unter Mango- oder Tamarindenbäume, suchen die Nähe ihrer Mahuts (Elefanteneigentümer) – nicht weil sie müssen, sondern weil sie können. Die Kinder der Mahots sind mit den Tieren aufgewachsen. Und genauso, wie ein Hund am Abend auf seine Familie wartet, tun es manche dieser Elefanten.

Die Elefanten spazieren gemächlich durch das Gelände (zvg, Elephant Kingdom Samui)

Die Narben bleiben

Mit mir unterwegs ist Michelle, eine pensionierte Veterinärin aus Perth. Sie sieht sich die Tiere sehr genau an. Beobachtet die Haut, den Gang, das Verhalten. „Die Haut ist gesund, die Schritte frei, die Augen klar.” Sie lobt die medizinische Versorgung, die natürlichen Rückzugsorte – und mahnt gleichzeitig: „Die Narben der Vergangenheit bleiben. Besonders bei Elefanten.“

Ist das Samui Elephant Kingdom die Lösung für die Elefanten? Es ist ähnlich wie mit Zoo-Tieren, das Sanctuary entstammt einer grausamen Tradition, doch die Tiere können nicht zurück in die Wildnis. Das Kingdom versucht, eine Zwischenlösung zu bieten. Und es zeigt, dass sich in Thailand etwas bewegt – leise, aber kraftvoll. Dass neue Formen des Miteinanders entstehen. Und dass eine wachsende Zahl von Reisenden beginnt, genauer hinzusehen. Weniger Spektakel, mehr Respekt. Weniger „Erlebnis“ – mehr Verantwortung.

Aber: Der Weg dorthin ist weit. Noch immer wechseln einstige Tierparks einfach das Schild am Eingang, nennen sich „Sanctuary“ – und führen ihre missbräuchlichen Routinen weiter.

Stephan Lendi

Stephan liebt Menschen – und ihre Geschichten. Seine Leidenschaft für Sprache und Reisen verbindet er für mycation auf ganz eigene Weise: Er hört zu, fragt nach – und nimmt dich mit auf die Reise hinter die Kulissen.