Um den Herbst ein wenig früher willkommen zu heissen, zog es mich Ende August nach Island. Was ich im Vorfeld als „Trenddestination mit viel Natur“ abgetan hatte, entpuppte sich als eine der eindrucksvollsten Reisen meines Lebens. Die Insel hat mich mit einer Schönheit überrascht, die kaum in Worte zu fassen ist. Wenn man sich das Paradies vorstellt, dann kommt es Islands Natur wohl am nächsten.
In nur acht Tagen legten wir über 2.600 Kilometer zurück, umrundeten die gesamte Insel und nahmen dabei zahlreiche Abzweigungen, die uns immer wieder in noch entlegenere und faszinierendere Landschaften führten.
Praktische Tipps
- Miete einen 4×4 Wagen, so kannst du weniger bekannte Wasserfälle und Aussichtspunkte anschauen.
- Schliesse eine Gravel-Autoversicherung ab, um auch bei Steinschlag abgedeckt zu sein.
- Zieh dich warm an und kleide dich mit dem Zwiebellook.
- Plane genügend Zeit für die einzelnen Etappen ein, denn aus 3 Stunden Fahrzeit werden schnell mal 6 Stunden, da man an jedem Eck etwas sieht, dass man sich genauer anschauen möchte.
- Island ist sehr teuer, weshalb es sich lohnt, einen Camper oder eine Unterkunft mit eigener Küche zu mieten.
Golden Circle
Dass die Hauptstrasse vom Flughafen nach Reykjavik wegen Naturereignissen gesperrt sein kann, hätten wir wohl vorher checken sollen. Stattdessen kommen wir über einen Umweg erst um 21 Uhr in der Hauptstadt an und stehen überrascht vor verschlossenen Restauranttüren. Offenbar wird hier früh gegessen, eine Lektion, die wir uns für die kommenden Tage merken: Essen planen, sonst bleibt man hungrig, besonders ausserhalb der Stadt, denn es kann schon mal vorkommen, dass man sich ein paar Stunden zu lang an einem Wasserfall aufhält und vergisst, dass man um 20 Uhr noch etwa 100 Kilometer Autofahrt vor sich hat.
Island scheint mir das Land der Zimtschnecken zu sein, denn wenn es etwas überall zu essen gibt, dann sind es süsse Gebäcke. Gestärkt machen wir uns also am nächsten Tag zur wohl beliebtesten Touristenattraktion Islands, zur Blauen Lagune, auf. Schon auf dem Weg halten wir ständig an, um Seen, Lavafelder und Berge zu bewundern – nicht ahnend, dass dies nur ein Vorgeschmack ist. An der heissen Quelle mit geothermischem Meeres- und Süsswasser, die mit vielen Mineralien angereichert ist, bezahlen wir erstmals 125 Franken Eintritt. Island ist teuer, aber das übertrifft alles. Das 38 Grad heisse Wasser ist angenehm, doch so warm, dass wir regelmässig an der Luft abkühlen müssen. Nach 90 Minuten fühlen wir uns wie gekocht und treten bereits den Rückweg an – diesmal rechtzeitig zum Abendessen.


Am nächsten Tag steht der Golden Circle an und damit der tourististe Teil der gesamten Ring-Strasse. In einem Dreieck fährt man Wasserfälle und Geysire an. Nicht ohne uns im Skyr-Joghurt Paradies auszutoben und unseren 4×4 mit Snacks zu befüllen, fahren wir los.
Erster Halt: Brúarfoss Wasserfall. Da der wie überall überteuerte Parkplatz nur wenig Autos hat, erwarten wir auch nicht viel. Das täuschte jedoch gewaltig, denn das kristallblaue Gletscherwasser machte den aussergewöhnlichen Wasserfall noch spezieller.
Ganz anders der große Geysir: Hier reiht sich alles im Kreis auf, um die bis zu 50 Meter hohen Fontänen zu bestaunen. Eine Gratisdusche gibt’s für alle, die im Wind stehen, weshalb wir lieber Abstand halten. Beim Seljalandsfoss hingegen gibt es kein Entkommen mehr. Der 60 Meter hohe Wasserfall stürzt beeindruckend in die Tiefe, und der Weg hinter den «Foss» (Isländisch für Wasserfall) verspricht ein unvergessliches Erlebnis. Was keiner sagt: man wird klatschnass. Zum Glück haben wir den Kleiderschrank im Kofferraum. Gelohnt hat es sich auf jeden Fall.
Zum Aufwärmen gibt es in Island ja zum Glück eine lebhafte Sauna-Kultur, weshalb wir im Hotel direkt in den Sauna-Pod steigen bevor es fangfrischen Fisch zum Abendessen gibt (um 17:30 Uhr natürlich).

Südisland
Die heutige Etappe ist definitiv das Highlight der gesamten Reise. Dass wir mit einem Regenbogen am ersten Halt beim Skógafoss überrascht werden, macht es nicht weniger magisch. Über eine wackelige steile Treppe kann man über den Wasserfall steigen, wo sich eine grüne Paradieslandschaft eröffnet. Mit feuchten Augen sauge ich die Natur in mich auf, während isländische Wollschafe friedlich über die Wiesen ziehen. Kaum vorstellbar, dass es einen schöneren Ort für sie geben könnte – auch wenn im nahen Restaurant ausgerechnet Lamm die Spezialität ist.


Eigentlich war noch ein Aussichtspunkt geplant – doch akuter Toilettendrang machte uns einen Strich durch die Rechnung. In Island sind WC-Stopps sowieso eine eigene Reiseplanung. Dazu kommt, dass jeder Parkplatz rund 8 Franken kostet und videoüberwacht wird.
Am Black Sand Beach angekommen, hoffte ich auf Puffins. Leider waren sie im August schon weitergezogen, also begnügen wir uns mit Möwen, die sich einen Spass daraus machen, unsere Drohne anzugreifen. Aus der Luft wirkt der Strand aber trotzdem atemberaubend.

Für den Rest des Tages fahren wir von den Touristenhotspots weg. Je weiter wir in den Osten kommen, desto eindrucksvoller wird die Kulisse: hinter uns Wasserfälle, neben uns Gletscher, vor uns der Strand. Island pur!
Ost Island
Wer denkt, Diamanten findet man nur in Grotten, liegt falsch. Die Eisschollen des Vatnajökull glitzern wie Edelsteine auf dem schwarzen Sand. Riesige Brocken treiben im Meer, die Wellen spülen sie an den Strand – ein Anblick, von dem man sich kaum lösen kann. Wären da nicht die Kälte und die 400 Kilometer, die noch vor uns liegen. Trotz eisiger Finger lassen wir es uns nicht nehmen, die Drohne steigen zu lassen – und das glitzernde Eisparadies aus der Luft festzuhalten.


Im Wikinger-Kafi bei Stokksnes stärken wir uns dann mit Waffeln und Blick auf den Naturpark, der als ein „The Witcher“-Drehort diente. Danach lockt uns die Neugier zu den Robben. Mit Fernglas und Drohne erspähen wir sie auf den Felsen. Eine Babyrobbe lässt uns den stürmischen Wind vergessen.
Plötzlich beginnt es, wie aus Kübeln zu regnen und wir sind froh, dass wir den nächsten Wasserfall nach einer Schotterwegstrecke von hinter der Windschutzscheibe beobachten können. Die letzte Etappe des Tages geht über Stock und Stein und der Nebel wird immer dichter und dichter. Schade, denn das Panorama wäre gigantisch.
Und als ob das nicht genug Abenteuer wäre, geht uns in den Highlands noch fast das Benzin aus. Nach einer halben Wanderung für Handyempfang erreichen wir dann endlich den Strassendienst, der uns mitteilt, dass der Rest der Strecke bis zur nächsten Tankstelle eigentlich ausschliesslich bergab geht und wir es mit unseren letzten Tropfen Sprit noch bis dahin schaffen können. Und tatsächlich rollen wir dann mit einem komplett leeren Tank an die Zapfsäule und schwören uns, so etwas nie mehr zu riskieren

Nordisland
Das Schöne am Autofahren in Island? Überall warten kleine Naturwunder – und Schafe, die wie selbstverständlich über die Strasse rennen. Nach einem typisch isländischen Hotdog wagen wir uns erneut in die Highlands. Plötzlich blinkt das Auto erneut wie wild: kein Öl mehr! Panisch blättern wir die isländische Bedienungsanleitung des Autos durch – ohne Erfolg. Also erneut ein Anruf beim Strassendienst (sie kennen uns inzwischen). Sie versichern uns, dass wir unsere Runde weiterfahren können. Wie kann er das wissen, frage ich mich? Er weiss ja weder, wo wir sind, noch, wie weit wir fahren müssen? Naja, es blieb uns nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen – denn irgendwo im Nirgendwo wird uns wohl niemand Öl bringen.
Bei Myvatn legen wir einen Stopp in der berühmten Game of Thrones Höhle ein, in der Jon Schnee und Ygritte badeten. Da wir die Serie gerade schauen, war der Halt ein Muss, doch ehrlich gesagt: ein Flop. Klein, unscheinbar, kaum wiederzuerkennen. Dennoch gibt es auf Island sehr viele Drehorte der bekanten Serie. Man kann fast sagen, dass wir Set-Jetting machen.

Am nächsten Tag wartet das Nord-Highlight unserer Reise: Whale Watching in Húsavík! Da es mir wichtig ist, dass es eine ethische Tour ist, recherchierte ich viel im Voraus. Wir gehen mit Friends of Moby Dick, da sie Wale weder über einen Sensor suchen, noch verfolgen oder füttern. Man wartet einfach auf dem Boot in einer Bucht und hofft, dass Wale gerade in der Laune sind. Und wie sie das waren! Wir sehen bestimmt 12 Wale in den nächsten zwei Stunden und sind begeistert!
WICHTIG
Auch wenn die See ruhig aussieht, nehmt besser eine «Seasickness» Pille vor der Abfahrt der Whale Watching Tour. Gerade beim Warten auf die Wale kann das Boot ziemlich schaukeln und es wäre schade, wenn man es verpassen würde, weil man gerade hinten auf dem Boot unfreiwillig die Fische füttert.
Nach gefühlt unzähligen Einbahntunneln (in denen uns trotzdem Autos entgegenkommen), erreichen wir das Fischerörtchen Siglufjörður, das idyllischer kaum sein könnte. In der heissen Quelle vor dem Siglo Hotel lassen wir den Tag ausklingen – fast wie im „Island“ vom Europapark, nur echt.


Westisland
Die Playlists im Auto werden mit jedem Kilometer skuriller und je mehr Stunden wir hinter dem Steuer sitzen, desto komischere Lieder schallen aus den Boxen unseres kleinen Geländewagens.
Mitten auf unserer Route entdecken wir per Zufall einen Vulkankrater am Strassenrand. Er ist einer der 130 Vulkane der gesamten Insel. Davon sind noch 30 aktiv. Nicht aber dieser hier. Wir steigen hinauf und blicken direkt in den erloschenen Krater, die eingetrocknete Lava noch gut sichtbar. Mit der Drohne entdecken wir sogar einen zweiten Krater dahinter. Aus der Vogelperspektive wird einem erst klar, wie riesig diese Landschaft ist


Unser letztes Hotel bietet einen Aurora-Alarm: Sobald Nordlichter sichtbar sind, weckt er die Gäste, die dann im Bademantel auf den Parkplatz stürmen können. Eine wunderbare Idee – nur leider bleibt der Alarm bei uns still.
Mein Nordlichter-Tipp
Frage in Hotels nach dem Aurora-Alarm. Viele haben eine Art Klingel, die dich informiert, wenn die Nordlichter vor dem Fenster tanzen. So verpasst man sie nicht, auch wenn man bereits am Schlafen ist.
Kaum zurück auf der Teerstrasse, knallt es. Ein Stein trifft die Windschutzscheibe. Ein winziger Sprung – doch der kostet 700 Franken, trotz Vollkasko (erneut werden wir uns den hohen Preisen in Island bewusst). Das hätten wir am letzten Tag wirklich nicht gebraucht.
Wir fahren weiter zum Kirkjufell, dem ikonischen Hügel der Snæfellsnes-Halbinsel, ebenfalls bekannt aus Game of Thrones. Doch vielleicht sind wir von Islands Natur schon zu verwöhnt – der „Hutberg“ beeindruckt uns nicht mehr so, wie erwartet und wir reden uns ein, dass wir einfach nochmals im Winter kommen müssen.
Umso schöner dann der letzte Stopp: Seal Beach. Seehunde baden im seichten Wasser, die Zuschauer schauen mucksmäuschenstill zu. Fast wirkt es, als würden die Tiere uns zum Abschied zuwinken. Ein perfekter Abschluss unserer Reise.

(c) Die Bilder sind von Jannina Stüben auf ihrer Island Reise gemacht worden