Zwischen Himmel und Highway: die kalifornische Mojave-Wüste ist die Wiege der Luftfahrt – und Landeplatz für Aviatik-Fans! Wer von LA aus die östliche Richtung nach Las Vegas einschlägt oder über den Highway 14 nordwärts nach Lake Tahoe unterwegs ist, durchquert das flirrende Ödland der Mojave. Doch wer nach oben blickt, wird scharfe Kondensstreifen entdecken, die sich durchs Blau ziehen. Silberne Punkte fliegen mit Überschallgeschwindigkeit, Jet-Motoren donnern in grosser Höhe.
Ahnungslos – und so soll das auch sein, denn die meisten Tests sind streng geheim – durchquerst du nämlich gerade die Hochburg der US-Luftfahrtforschung. In der Region um Palmdale und Lancaster ballt sich amerikanische Luft- und Raumfahrt. Da gehen Plane-Spotter vor Freude in die Luft!

Lebendiger Flugzeug-Friedhof
Kurz hinter Lancaster fallen plötzlich Flugzeug-Typen aller Grössen und Arten auf. Noch erkennbar sind verblasste Logos der Airlines. Das ist der legendäre Mojave Air- und Spaceport, und diese Maschinen sind gegroundet – das ist der Stellplatz für stillgelegte Flugzeuge und Schrottplatz für ausgeschlachtete Mühlen. Der Tower koordiniert aber noch immer rund 50 Flugbewegungen pro Tag. Das Gelände darf (ausserhalb der gesicherten Flugplatzbereiche) im Auto erkundet werden – zur Vorbereitung gibt’s eine virtuelle Driving Tour.
Fliegende Festungen
In Palmdale wartet noch ein familienfreundliches Ausflugsziel (mit Gratis-Eintritt): der Joe Davies Heritage Airpark. Die Ausstellung unterstreicht die historische Bedeutung der US Air Force und damit auch ihre Rolle in der Raumfahrt. Unter den über 20 Ausstellungsobjekten auch die legendäre B-52, fliegendes Relikt des Kalten Kriegs. Der Langstreckenbomber war wirksame Abschreckungswaffe – denn er konnte dank Luftbetankung praktisch unbegrenzt weit fliegen. Mit über 70 Jahren Einsatzdauer eines der langlebigsten Flugzeuge der Luftfahrtgeschichte.
Auch der Blackbird Airpark ist in Palmdale geerdet, eine Ausstellung der gleichnamigen, geheimnisvollen Tarnkappenflugzeuge – und weltweit einzige Möglichkeit, eine Lockheed SR-71A aus der Nähe zu betrachten. Selbst die einst streng geheime Drohne D-21 kann man in Augenschein nehmen. Für den Museumsausbau werden übrigens Spender gesucht.

Tollkühne Männer in fliegenden Kisten
Die Mojave-Wüste ist weit mehr als Abstellplatz für ausgediente Maschinen – sie ist Testgelände für neueste Flugzeug-Typen und risikobereite Testpiloten. Denn wer kurz hinter Lancaster auf den Rosamond Boulevard abbiegt, der findet sich vor den Toren der zweitgrössten Luftwaffenbasis der USA wieder. Auf der Edwards Air Force Base – der Kanton Zug passt fünfmal auf diese Fläche – starteten revolutionäre Jets und Raumfähren getestet, Prototypen des Tarnkappenbombers flogen ihre ersten Missionen. Und auch heute noch ist der Himmel über der Antelope Valley von aktiven Testprogrammen durchzogen.
Auf diesen Pisten schrieb sich auch unsere Schweizer Testpilotin Captain Fanny (Rufname „Shotty“) Chollet in die Geschichte ein – als erste Kampfpilotin der Schweizer Luftwaffe absolvierte sie ihre Ausbildung in der prestigeträchtigen Test Pilot School.

Landebahn Lakebed
Die meilenlange Fahrt entlang dem in der Hitze flirrenden Rogers Dry Lake macht klar, weshalb diese scheinbar fruchtlose Wüste für die Aviatik ein solcher Glücksfall ist: der ausgetrocknete, von der Sonne hart gebackene See ist eine natürliche Landepiste. Und auch für Crash-Landungen geeignet.

Der bodennahe Anflug jedoch endet an den Kontrolltoren – es sei denn, man habe im voraus langwierige Sicherheitsprüfungen absolviert und sei als wert befunden worden, dem historischen Landeplatz des Space Shuttles einen Besuch abzustatten. Die riesige Stahlkonstruktion beim Visitor Center weist immerhin darauf hin, dass hier ab 2026 auch für nicht-geprüfte Besucher ein Museum warten wird.
Hollywood-Helden der Lüfte
Auch im Kino haben wir diese Air Base x-mal gesehen, ohne uns dessen bewusst zu sein: Bruce Willis filmte im Riesenhangar „Armageddon“, Ryan Gosling mimte hier den Astronauten Neil Armstrong, und die ganze Superhelden-Elite von „Iron Man“ über „Captain Marvel“ bis zum „Man of Steel“ machten eine Landung in Edwards. Lady Gaga drehte ihr Musikvideo zum Film „Maverick“ mit einer P-51 Mustang in einem Wüstenhangar des nahen Inyokern Airports.

Take-Off in der Bar
Dass viele der Piloten und rund 10‘000 Air Force-Mitarbeitende in den umliegenden Gemeinden wie Rosamond leben, zeigt sich schon an den von Aviatik-Vokabular geprägten Namen von Bars und Restaurants. Guido’s Hangar zum Beispiel liegt an einer lokalen Landepiste und serviert zur Aussicht auf landende Kleinflugzeuge Cocktails, nach denen man nicht mehr fliegen sollte.
Wer also über das Asphaltband der kalifornischen Highways rollt, ahnt meist nicht, dass er den Rand jenes Luftraums befährt, in dem Luftfahrtgeschichte geschrieben wurde – und noch immer geschrieben wird.
Bonus-Tipp: Die Kill-Bill-Kapelle
Wenn du in Lancaster bist, kannst du der filmhistorischen Kirche aus „Kill Bill“ einen Besuch abstatten. Zufällig wird man von Lancaster aus nicht in die Wüste abbiegen. Wer Richtung 19809 East Avenue G fährt, der ist ganz bestimmt auf der Suche nach dem hochgradig ikonischen Gebäude mit verwittertem Tonputz und Ziegelboden. Seit Quentin Tarantino darin ein filmisches Blutbad anrichtete (die Holzveranda baute er eigens dafür an), nennt sich das Gotteshaus sogar selbst aus Marketingzwecken die „Kill Bill Church“ (offiziell eigentlich die Sanctuary Adventist Church). Darum ist an der Pforte nicht nur die Gottesdienstzeit angebracht, sondern auch der Hinweis „Film here“. Pastor Oscar nimmt höfliche Anfragen von Filmemachern entgegen. So taucht das telegene, spanisch angehauchte Kirchlein immer mal wieder in Musikvideos und TV-Serien auf. Wie der Prediger uns augenzwinkernd erzählt, liest er seit „Kill Bill“ aber vor der Drehgenehmigung erst das Script – denn ein solches Massaker auf heiligem Boden würde er künftig wohl ablehnen müssen. Selbst wenn das für Kirchgänger sorgt, die ansonsten kaum den Weg hier hinausgefunden hätten.
