Venedig im September – die Stadt der Brücken, Kanäle und Palazzi erwacht noch einmal in ihrem besonderen Glanz, bevor der Herbst den Sommer endgültig ablöst. Ich hatte das Glück, vier Tage in dieser bezaubernden Stadt zu verbringen, während die La Biennale di Venezia in vollem Gange war. Vom ersten Augenblick an war ich von einer Vorfreude erfüllt, die nur durch die schier endlose Flut von Kunst und Kultur gesteigert wurde, die mich an jeder Ecke erwartete. Es war ein Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde.
Giardini: Ein Spaziergang durch die Pavillons der Welt
Am Freitag war es so weit – ich machte mich auf in die Giardini, das Herzstück der Biennale. Diese Gegend mit ihren Gärten wurde von Napoleon Bonaparte angelegt und beherbergt heute 30 permanente internationale Pavillons, in denen jeweils die Kunstwerke der nationalen Künstler ausgestellt werden.
Die Biennale 2024 ist die 60. Internationale Kunstausstellung und läuft vom 20. April bis zum 24. November 2024. Kuratiert wird die Ausstellung von Adriano Pedrosa, dem derzeitigen künstlerischen Direktor des Museu de Arte de São Paulo. Unter dem Titel «Stranieri Ovunque – Fremde überall» werden in diesem Jahr Künstler präsentiert, die bisher noch nie an der internationalen Ausstellung teilgenommen haben. Das Thema der Ausstellung hat für mich eine tiefere Bedeutung: Egal, wohin wir gehen, wir begegnen immer Fremden, und gleichzeitig sind wir selbst oft Fremde in unserer eigenen Welt.
Besonders beeindruckt hat mich der Schweizer Pavillon. Der schweizerisch-brasilianische Künstler Guerreiro do Divino Amor hat eine Installation geschaffen, die Besucher auf ironische und scheinbar leichte Weise dazu einlädt, sich als Fremde in ihrer eigenen Wahrheit zu fühlen.
Jeder Pavillon war wie eine kleine, eigene Welt. Ich verbrachte Stunden damit, von einem Land zum nächsten zu «reisen» und Künstler zu entdecken, die neue Perspektiven auf gesellschaftliche und politische Themen boten. Licht- und Soundinstallationen, Live-Performances und die interessierten Besucher mit leuchtenden Augen – es war eine magische Welt, in die ich eintauchte.
Arsenale: Kunst in industriellem Ambiente
Am Samstag stand der Besuch des Arsenale auf dem Programm. Diese riesigen, historischen Werftanlagen boten den perfekten Rahmen für zeitgenössische Kunst. Der Kontrast zwischen den alten Backsteinmauern und den oft futuristischen Kunstwerken war atemberaubend. Ich fühlte mich wie in einer anderen Welt, umgeben von kreativen Köpfen, deren Werke so viele unterschiedliche Geschichten erzählten.
Fasziniert war ich von der Ausstellung der saudi-arabischen Künstlerin Manal Aldowayan. Sie hatte den Raum in eine Wüstenlandschaft verwandelt und thematisierte die kulturelle Transformation der Frauen in Saudi-Arabien. Die Mischung aus starken kulturellen Symbolen und moderner Kunst berührte mich.
Auch andere Werke weckten die Emotionen in mir. Installationen, die sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung befassten, regten mich zum Nachdenken an. Die Biennale war ein Schmelztiegel der Ideen – jedes Kunstwerk eine Einladung, tiefer in neue Welten einzutauchen. Nach diesem intensiven und faszinierenden Tag gönnte ich mir als Belohnung einen perfekt zubereiteten Aperol Spritz.
Venedig im September: Eine Oase der Kreativität
September ist die perfekte Zeit, um Venedig zu besuchen – die grossen Touristenströme sind weg, und die Hitze des Sommers weicht angenehmen, warmen Tagen. Man kann die Stadt viel entspannter erkunden, ohne sich durch die überfüllten Strassen zu drängen. Die Kunst ist zu dieser Zeit omnipräsent. Ob in den prächtigen Palazzi oder in kleinen Galerien – Venedig wird in dieser Zeit zu einem lebendigen Kunstwerk.
Überrascht hat mich die kleine Ausstellung im Schweizerischen Konsulat. Dort waren eher intime Werke, unter anderem von dem jungen Künstler Nat Cartier, zu sehen. Diese Kunstwerke berührten mich auf eine subtile Weise und zeigten, wie jeder Winkel der Stadt plötzlich zur Bühne für kreative Entfaltung werden kann.
Als ich am Sonntag, mit einem letzten Blick auf die glitzernden Kanäle, die Stadt verliess, war ich erfüllt von all den Eindrücken und Emotionen der letzten Tage. Diese Reise war nicht nur eine Begegnung mit der Kunst, sondern auch mit mir selbst. Es war ein Eintauchen in eine Welt, die mich auf so viele Arten inspiriert hat. Schon im Moment der Abreise wusste ich: Ich werde zurückkehren – nicht nur wegen der Biennale, sondern auch wegen der einzigartigen Magie, die nur Venedig im September ausstrahlen kann.