Jedes Jahr versucht der Reiseführer Fodor’s Travel mit seiner No List, ein Licht auf Reiseziele zu werfen, die aus gutem Grund beliebt sind, aber unter der Last ihrer eigenen Bekanntheit zusammenbrechen. Dabei spielen irreversible Veränderungen in Ökosystem und dem Wohlergehen der Einheimischen eine zentrale Rolle. In ihrem ausführlichen Artikel berichtet Fodor’s Travel von Reisezielen, die unerschwinglich, homogenisiert und gar zerstört werden. Damit du für deine Reiseplanung fundierte Entscheide treffen kannst, haben wir für dich die No List zusammengefasst und erklärt.
«Und seien wir ehrlich: Der Besuch solcher Orte führt selten zu glücklichen Reisenden. Es ist frustrierend, sich durch Städte voller Touristen zu bewegen, es ist ärgerlich, Städte zu besichtigen, in denen sich die Einheimischen über Ihre Anwesenheit ärgern, und es ist deprimierend, durch Natur zu wandern, die mit Müll übersät ist.» – Fodor’s No List 2025
Bali, Indonesien
Fodor’s Travel fasst die Destinationen in «dauerhafte No-List-Destinationen» – Reiseziele, in welchen die Lage seit Jahren immer schlimmer wird – und «Reiseziele, die zu leiden beginnen.» Bali ist auf der Liste der dauerhaften No-Destinationen. Fodor’s Travel spricht von einer „Plastikapokalypse“, welche die Insel im Eiltempo zerstört.
Nach Angaben des Zentralen Statistikamtes der Provinz Bali verzeichnete die Insel im Jahr 2023 rund 5,3 Millionen internationale Besucher. Auf sie warten Strände wie Kuta und Seminyak – heute unter Müllbergen begraben, denn die örtlichen Abfallentsorgungssysteme kommen nicht mehr hinterher. Jedes Jahr gelangen laut Fodor’s Travel 33.000 Tonnen Plastik in die Flüsse, Strände und Meere Balis, was eine ernsthafte Bedrohung für die Ökosysteme der Insel darstellt.
Auch die Qualität des täglichen Lebens nimmt in Bali seit Jahren ab: Neben den Belastungen durch erhöhte Lebenshaltungskosten, Lärm und Verkehr ist auch die Wasserqualität stark durch Schadstoffe belastet und der Zugang zu verbesserten sanitären Einrichtungen bleibt laut Fodor’s jeder zweiten Einwohner:in verwehrt.
Mit einem Bauverbot für Hotels lancierte die indonesische Regierung kürzlich eine radikale Massnahme, um die Auswirkungen des Massentourismus einzudämmen.
Barcelona, Mallorca und die Kanaren
Europa habe einen turbulenten Sommer hinter sich, reüssiert Fodor’s Travel. Wir erinnern uns: In Barcelona bespritzten Einwohner ahnungslose Besuchende mit Wasserpistolen, während sich Tausende an den Stränden Mallorcas, auf den Kanarischen Inseln sowie in Venedig mit Protest-Schildern versammelten. Letztere demonstrierten gegen die Einführung eines Eintrittspreises für Tagesausflügler. Barcelona stand bereits in den Jahren 2020 und 2023 auf der Nein-Liste von Fodor’s Travel, Mallorca im Jahr 2019 und Venedig in den Jahren 2018, 2023 und 2024, weswegen sie mittlerweile zu den «dauerhaften No-List-Destinationen» gehören.
Viele dieser Reiseziele werben seit Jahren aggressiv um Besucher – aber der Zustrom verstopft nicht nur die Stadtviertel, sondern treibt die Lebenshaltungskosten in die Höhe. Gemäss Schätzungen von Fodor’s Travel sind 60 % der Wohnungen in Lissabon inzwischen Ferienunterkünfte. Die Stadt habe seit 2013 etwa 30 % ihrer Einwohner verloren. Auch in Barcelona liege die Durchschnittsmiete heute 68 % höher als noch vor zehn Jahren.
Als Alternative empfiehlt Fodor’s Travel Amsterdam. Die Stadt hat ein Anlegeverbot für Hochseekreuzfahrten verhängt und versprochen, die Zahl der Flusskreuzfahrten bis 2028 zu halbieren. Zudem wurde die Zahl der Ferienunterkünfte um 30 % reduziert und der Bau neuer Hotels mit sofortiger Wirkung verboten.
Koh Samui, Thailand
Koh Samui leidet seit langem unter dem Übertourismus und stand bereits im letzten Jahr auf der Nein-Liste. Die scheinbar unberührte 95 Quadratkilometer grosse Insel im Golf von Thailand lockt seit Jahrzehnten Besucher in ihre ultraluxuriösen Resorts und Villen. 3,4 Millionen Touristen kamen im vergangenen Jahr, und für 2024 wird ein Anstieg der Besucherzahlen um 10-20 % erwartet.
Neben unkontrollierter Zersiedelung durch illegale Bauten lagern derzeit 200.000 Tonnen Abfall auf einer Mülldeponie ausserhalb der Sichtweite von Touristenorten. Die thailändische Regierung transportiere zwar 60 Tonnen Abfall pro Tag ab, aber das reicht nicht aus, um den Rückstau und die tägliche Ansammlung von Einwohnern und Besuchern zu bekämpfen, wie Fodor’s durch zahlreiche Expert:innen zitiert.
Mount Everest
Der Everest ist für die Sherpa-Gemeinschaft ein heiliger Berg, aber der Übertourismus hat negative Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften. Heute ist gemäss Fodor’s das einzige Hindernis, den höchsten Gipfel der Welt zu bezwingen, das Geld. Touristen ohne Bergerfahrung können einen einheimischen Arbeiter dafür bezahlen, ihre Vorräte zu tragen, und so ein Abenteuer erleben, das für die meisten unerreichbar ist. Die unerfahreren Kunden sind ein grosses Sicherheitsproblem, da so auch für die einheimischen Arbeiter ein höheres Verletzungs- oder Todesrisiko besteht.
Der Zustrom an Dienstleistungen und Annehmlichkeiten für die wachsende Touristenzahl führt ausserdem zu unvorstellbaren Mengen an Müll. Fodor’s Travel schätzt, dass 30 Tonnen Müll und eine unermessliche Menge menschlicher Exkremente an den Hängen des Everest lagern – und noch mehr auf dem Weg dorthin.
Reiseziele, die zu leiden beginnen
Agrigento, Sizilien, Italien
Die Stadt wird im Jahr 2025 italienische Kulturhauptstadt, was wahrscheinlich zu einem Anstieg der Besucherzahlen führen wird. Die Region sieht sich jedoch seit Jahren mit einer schweren Wasserknappheit konfrontiert, die durch den zunehmenden Tourismus noch verschärft werden könnte.
Britische Jungferninseln
Das Hauptproblem der traumhaften Inselgruppe in der Karibik ist die überwältigende Konzentration der Regierung auf den Kreuzfahrttourismus, obwohl die örtliche Infrastruktur die wachsenden Touristenzahlen nicht bewältigen kann. Das belastet nicht nur das Land: Abwässer fliessen ins Meer und belasten die Korallenriffe vor den Küsten.
Kerala, Indien
Kerala, zieht mit palmengesäumten Stränden und glitzernden Backwaters Reisende aus der ganzen Welt an. Das Problem: Fast 60 % der über 3.000 Erdrutsche in Indien zwischen 2015 und 2022 ereigneten sich hier, denn es gibt fast keine Vorschriften für den Bau von Gebäuden oder umweltschonenden Verkehr auf den Wasserwegen. Das Resultat: Erdrutsche, Überschwemmungen und Artensterben, das über 8 Millionen Menschen beeinträchtigt.
Kyoto und Tokio, Japan
Mit über 3,2 Millionen verzeichnete das Japan National Tourism Organization (JNTO) im Juli 2024 die höchste Zahl internationaler Reisender aller Zeiten. In den japanischen Medien ist gleichzeitig der Begriff „Kankō kōgai“ (Tourismusverschmutzung) aufgetaucht: Im ganzen Land spielen Unternehmen und lokale Regierungen mit dem Gedanken, die Preise zu erhöhen, um den Tourismus noch unerschwinglicher zu machen und stark frequentierte Orte wie Kyoto und Tokio zu entlasten. Den höchsten Preis zahlen die Einheimischen, die gewisse Infrastrukturen und Angebote wie beispielsweise den Shinkansen-Pass schon gar nicht mehr nutzen dürfen.
Oaxaca, Mexiko
Der steigende Tourismus in der mexikanischen Stadt Oaxaca belastet die öffentlichen Dienste und lässt Mieten in die Höhe schnellen, was alteingesessenen Bewohner aus den zentralen Gebieten verdrängt. Englisch ersetzt mittlerweile das Spanische als vorherrschende Sprache, und kulturellen Wahrzeichen wie das Guelaguetza-Festival werden einer Kommerzialisierung ausgesetzt. Die kürzlich eröffnete Autobahn, die Oaxaca mit der Surferstadt Puerto Escondido verbindet, dürfte in Kürze noch mehr Menschen nach Oaxaca bringen.
Schottland Nordküste 500
Was passiert, wenn eine Roadtrip-Route zu populär wird? Die NC500 sollte die wilde Schönheit und die einzigartige Geschichte der Region promoten – von dramatischen Klippen und märchenhaften Schlössern bis hin zu ruhigen Seen und verschlafenen Fischerdörfern. Das Projekt war erfolgreich: Heute sind die Strassen durch den allgegenwärtigen Verkehr verstopft und „wildes Zelten“ an Stränden, auf Parkplätzen und sogar auf Privatgrundstücken ist üblich. Der Müll und sogar menschliche Fäkalien bleiben als Souvenirs für Anwohner:innen.
Fodor’s 2025 Nein-Liste
Ewige Nein-Liste:
- Bali, Indonesien
- Barcelona
- Mallorca
- Venedig
- Kanarische Inseln
- Lissabon
- Koh Samui, Thailand
- Mount Everest
Reiseziele, die zu leiden beginnen:
- Agrigento auf Sizilien, Italien
- Britische Jungferninseln
- Kerala, Indien
- Kyoto und Tokio, Japan
- Oaxaca, Mexiko
- Schottland Nordküste 500
Interessiert am Originalartikel? Lies hier den ganzen Hintergrundbericht zu Fodor’s No List 2025.
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