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Mitten in einer pinkfarbenen Stadt, die noch schläft, bevölkern Kühe die Strassen. Begleitet vom Duft nach indischem Curry fahre ich auf einem Fahrrad den Stadtmauern entlang und kann meine Begeisterung kaum zügeln. Ich bin in Indien – und nehme euch mit auf eine wilde Fahrt durch die vier Elemente, die man in Indien mit allen Sinnen und an den verrücktesten Ecken erleben kann. Bereitet euch auf Abenteuer, Faszination, Schocks, Überforderung und Erinnerungen vor, die ihr nie wieder loswerdet – selbst wenn ihr es wolltet. Eine imaginäre Reise, bei der ihr die Erde an den Füssen, den Himmel in der Luft, das Wasser in und um euch herum und das Feuer in der Nase spüren werdet. 

Das Element Erde

Das India Gate in Delhi.

Abenteuer Delhi

Von Kochi in Südindien aus hüpfe ich in einen der vielen Flieger Richtung Norden nach Delhi. Wie gewohnt bin ich mit meinen blonden Haaren und blauen Augen in Indien eine wandelnde Attraktion. Irgendwann schaffe ich es tatsächlich, die Traube neugieriger Leute abzuschütteln, die mich aus dem Flugzeug begleitet und ununterbrochen nach Selfies fragt. Am Ausgangsbereich wartet eine kleine Frau auf mich, die ein Schild mit meinen Namen (oder zumindest annähernd etwas in die Richtung) in die Luft hält. Rachi ist Teil der Organisation «Women on wheels», die es Frauen ermöglicht, den Beruf als Taxifahrerin in Indien auszuüben.

Die Strassen von Delhi: Verkehrschaos hat hier System.

Da dieser Beruf vor allem von Männern geprägt ist, ist die Arbeit wichtig, damit auch Frauen in Indien eine faire Chance haben. Empowerment mit PS! Rachi kutschiert uns durch das hupende Delhi, zwischen Rikscha-Fahrern, Kühen, Chai-Verkäufern, Pferden, Müll und Lärm hindurch bis ins Hostel. Einmal mehr bin ich froh, dass ich meinen Führerschein nicht in Indien machen musste.

Pushkar fühlt sich an wie ein Hippie-Day-Dream.

Hippie-Vibes pur in Pushkar

Nach einigen Tagen in Indien habe ich aufgegeben, meine Füsse jemals wieder sauber bekommen zu wollen. Auch im schönsten Tempel Pushkars, dem einzigen Brahma Tempel in ganz Indien, zieht man wie üblich seine Schuhe aus. Man geht barfuss durch die gesamte Anlage. Eigentlich ein schönes Gefühl, wenn man auf den kühlen Steinplatten in der heissen Wüste Indiens mit seinen Zehen wackeln kann. Wären die Füsse danach nur nicht pechschwarz! Es wundert mich nicht, warum einige meiner Bekanntschaften aus den Hostels irgendwann ganz aufgegeben haben, Schuhe zu tragen. So weit bin ich an meiner ersten Haltestelle in Rajasthan jedoch noch nicht. Generell könnte man in Pushkar gut barfuss herumlaufen.

Blick auf Pushkar.

In der herzigen Innenstadt teilt man sich den Plattenboden lediglich mit den unzähligen Kühen, die frei herumlaufen. Daran muss man sich erstmal gewöhnen. Beim Abendessen in der Wüste braucht man im Sand sowieso keine Schuhe. Dieser Ort diente in den 70ern als Zwischenstation für viele Hippies auf dem Weg von Goa bis in den Norden, in die Berge von Indien. Dieses Hippie-Flair hat der Ort bewahrt – man fühlt sich fast, als hätte man eine Zeitmaschine in die Flower-Power-Ära erwischt. In den meisten Tempeln wie auch in den Hotels oder Unterkünften werden einem Blumenketten umgehängt, als Zeichen der Begrüssung und Gastfreundschaft. 

Das Element Luft 

Jannina reiste mit dem Zug von Ort zu Ort.

Pinker Filter in Jaipur

Mit 5 neuen Freunden aus dem Hostel fahren wir mit dem indischen Pendlerzug durch Rajasthan von Pushkar nach Jaipur. Eine Zugfahrt, die geprägt ist von tanzenden Kindern, Chai Verkäufern, die einem konstant ins Ohr schreien und neugierigen Inderinnen, die meine blonden Haare einmal mehr faszinierend fanden. Nach vier Stunden kommen wir in Jaipur an. Sie wird auch die «Pink City» genannt, da die Häuser der Altstadt aus rosa Sandstein bestehen. Wir entscheiden uns, einen Bollywood Tanzkurs auf der Dachterrasse von einem der höchsten Gebäude in Jaipur zu machen (natürlich barfuss).

50 Shades of pink: Auch ohne Sonnenuntergang hat in Jaipur alles einen rosa Touch.

Auf den Dächern Jaipurs fühlt es sich fast so an, als würde man der Luftverschmutzung entkommen, die in den engen Strassen das Atmen erschwert. Die frische Brise tut richtig gut. Wir lernen also in den Höhen von Jaipur, wie man in Indien tanzt, während sich der Himmel langsam pink und orange färbt. Der Windpalast, das Markenzeichen von Jaipur, ergänzt das Element Luft perfekt. Es empfiehlt sich hier am Abend eine Rikscha zu mieten und sich die Strasse auf- und abfahren zu lassen, um im Fahrtwind die wunderschön beleuchtete Fassade des Palastes zu bestaunen. 

Der Taj Mahal ist ein absolutes Traumziel: Früh aufstehen lohnt sich!

Magische Architektur in Agra

Einer der Hauptgründe, weshalb ich meine Reise nach Indien angetreten habe, ist der Taj Mahal. Am Abend vor dem grossen Tag begeben wir uns an einen Aussichtspunkt in den Mehtab Bagh Gardens. Von hier hat man die perfekte Aussicht auf das architektonische Meisterwerk. Hinter dem Yamuna-Fluss liegt die Grabstätte. Majestätisch glänzen die Steine und mir kommen die Tränen. Ein ewig langer Traum wird wahr. 

Wer keine anderen Besucher:innen antreffen will, kommt bei Sonnenaufgang.

Am nächsten Morgen heisst es um 5 Uhr aufstehen, damit wir um 5:30 Uhr an den Eingangstoren des Palastes stehen. Wir haben einen Guide dabei, der genau weiss, was er tut. Er rennt mit uns hinein, damit wir dieses Wunderwerk für einen kurzen Moment bei Sonnenaufgang für uns alleine haben. Das frühe Aufstehen lohnt sich, wie auch die Bilder, die wir ohne Menschenmassen machen können. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Unser Guide Som weiss genau, welche Abkürzungen zu nehmen sind, damit wir den Taj aus allen möglichen Winkeln bestaunen können. Es ist einfach fantastisch.

Jannina mit einer traditionellen Blumenkette, die ihr um den Hals gelegt wurde.

Som erzählt uns die Geschichte des Mausoleums mit solchen Emotionen, dass unsere Augen direkt wieder wässrig werden. Der Mughal-Kaiser Shah Jahan hat den Taj in Gedenken an seine Lieblingsfrau Mumtaz Mahal gebaut, die vor ihrem Tod den Wunsch äusserte, dass er ihr den Himmel auf die Erde hole. Meiner Meinung nach hat er das ziemlich gut hinbekommen. Insider Tipp: Bucht euch einen Guide oder Fotografen, der euch durch den Taj Mahal führt.

Das Element Wasser

Die Stadt Jaipur bei Sonnenuntergang.

Regen zur Hochzeit in Jaipur

Wir kehren für einen Moment nach Jaipur zurück. Nach einer morgendlichen Fahrradtour durch das noch verschlafene Jaipur, um die Strassenkühe zu füttern (kein Witz, das ist eine beliebte Tätigkeit, um sein Karma aufzubessern), einer Shoppingtour auf dem bunten, chaotischen und beeindruckenden Markt und einem Besuch des gigantischen Amber Forts, haben wir uns eine Abkühlung verdient. Die Empfehlung eines Freundes aus dem Hostel: der «Jaipur Rain». Ein unglaublich süsser Drink, der perfekt zum bunten Treiben der Stadt passt. 

Cheers! Der süsse Drink heisst Jaipur Rain.

Auf einer neuen Dachterrasse geniessen wir den Drink und üben noch einmal unseren Bollywoodtanz. Denn wie es der Zufall so will, befinden wir uns am späteren Abend in einer Bar, die zu einer Hochzeitslocation umgewandelt wird. Unsere Anwesenheit genügt und wir werden kurzerhand zu einer indischen Feier eingeladen. Nicht ohne unsere frisch gelernte Choreografie vor Publikum zum Besten zu geben.

Hochzeiten in Indien ähneln eher Partys, die man aus Filmen wie Great Gatsby kennt.

Die gleichaltrigen Gäste der Hochzeitsgesellschaft tanzen gleich mit und die Hochzeit wandelt sich zu einer riesigen Tanzparty. Die Stimmung ist fantastisch und wir schwingen unsere Hüften mutig zu indischen Rhythmen. Plötzlich bricht der Himmel über uns auf und es beginnt zu regnen. Aber das hält niemanden auf – es wird mit Jaipur Rains im Jaipur Rain Bollywood getanzt. Ein unvergesslicher Abend voller Überraschungen und Spass!

Varanasis blaues Wunder

Männer gehen am frühen Morgen im Ganges schwimmen.

Natürlich kann man Indien nicht verlassen, ohne den Ganges gesehen zu haben. Auf den über 2.600 km langen heiligsten Fluss der Hindus treffe ich in Varanasi. Aber mehr zum Ort später. Nachdem ich viele Geschichten über dieses Gewässer gehört hatte, wollte ich mich selbst überzeugen, ob er wirklich so „giftig“ ist, wie alle sagen. Das erste Mal blicke ich von einer Anhöhe auf den Fluss. Ich erwartete einen braunen, brodelnden Fluss mitten in der Stadt – stattdessen sehe ich, wie er ruhig und blau dahinfliesst. Ein Bad, um mich von meinen Sünden zu reinigen, wie es hier viele Hindus tun, nehme ich jedoch nicht. Denn: Einige andere Solo-Reisende im Hostel haben tatsächlich Entzündungen am ganzen Körper davongetragen. Lieber nicht.

Jannina hat einen neuen Freund gefunden, der sie durch die Strassen Indiens begleitet.

Aber ich lasse es mir nicht nehmen, bei Sonnenaufgang auf einem Boot dem Ufer entlangzufahren und die täglichen Morgenrituale der religiösen Prozessionen (Ganga Aarti) zu bestaunen. Was für eine Stimmung! Die Sonne geht auf, der Nebel steigt vom Wasser empor, und die Stadt erwacht. Es ist, als ob der Ganges und die Stadt eine eigene kleine Show für mich aufführen.

Das Element Feuer 

Achtung scharf: Auf dem Markt kann man unzählige Gewürze kaufen.

Achtung Dehli Belly

Da ich komplett ich die indische Kultur eintauchen will, darf das richtige Essen nicht fehlen. Auch wenn es sich mit meinen vielen Intoleranzen als nicht ganz so einfach herausstellt, finde ich trotzdem immer einen indischen Koch, der etwas Passendes für mich zubereitet. Indische Speisen sind vielfältig, lecker und oftmals extrem scharf – fast schon feuerscharf. Vorsicht: Der berüchtigte Delhi-Belly, eine Magenverstimmung vom indischen Strassenessen, lauert überall. Trotz aller Vorsichtsmassnahmen kann man ihm oft nicht entkommen.

Sechs Personen haben in diesem Zugabteil einen Schlafplatz.

Vielleicht war es nicht die beste Idee, dass wir kurz vor dem Nachtzug von Agra nach Varanasi noch ein Chili-Paneer gegessen haben. Sagen wir es so – wir kennen nun die indischen Nachtzug-Toiletten nun in- und auswendig. Ob es das scharfe Essen wert war? Absolut.

Ein Bestattungsritual in Varanasi.

Tausende Jahre Feuer in Varanasi

Da mich Varanasi extrem berührt hat, komme ich noch einmal darauf zurück. Im heiligsten Ort Indiens treffen Tod und Leben aufeinander. An diesem spirituellen Pilgerort kommen religiöse Hindus für ein Bad im Ganges oder für Bestattungsrituale zusammen. Am Ufer entlang gibt es offene Feuer, auf denen Leichen verbrannt werden, bevor die Asche in den heiligen Fluss gestreut wird. Der Geruch von Feuer liegt über der ganzen Stadt – es ist ein spezielles Gefühl, so nah am Tod zu sein. Die Art und Weise, wie ein solches Bestattungsritual in Indien abläuft, ist jedoch faszinierend. 

Menschenmenge auf den Strassen von Varanasi.

Ich fühle mich geehrt, einen Einblick in den Alltag des indischen Volkes zu gewinnen und bei einer so emotionalen und spirituellen Angelegenheit anwesend zu sein. Das grösste Feuer, so heisst es, brennt seit 3000 Jahren und ist seitdem nie erloschen. Die Stimmung ist intensiv, das Chaos in der Stadt laut, aber irgendwie habe ich das Leben bisher nie mehr geschätzt als in diesem Moment.
In Varanasi nimmt meine Indienreise ein eindrucksvolles Ende, und ich blicke auf ein Abenteuer voller unvergesslicher Erinnerungen zurück.

Hier siehst du Janninas Reiseroute im Überblick:

(c) Alle Bilder hat Jannina Stüben bei ihrer Reise gemacht.

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JennyJenny21. November 2024