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Was treibt Menschen dazu, Orte des Todes und der Tragödie zu besuchen? Warum zieht es jährlich Tausende nach Auschwitz, nach Tschernobyl oder an Tatorte berühmter Verbrechen? Dark Tourism ist ein wachsendes Phänomen, das gleichermassen fasziniert wie irritiert.

Was ist Dark Tourism 

Dark Tourism (auch „Dunkler Tourismus“ oder „Thanatourismus“ genannt) bezeichnet das bewusste Reisen zu Orten, die mit Tod, Tragödien, Katastrophen oder menschlichem Leid in Verbindung stehen. Diese Art des Tourismus umfasst eine Vielzahl historischer Stätten, die durch Kriege, Völkermorde, Naturkatastrophen oder Verbrechen geprägt wurden. Dabei reicht die Bandbreite von Konzentrationslagern über Schlachtfelder und Katastrophengebiete bis hin zu verlassenen Städten und den Tatorten berüchtigter Verbrechen.

Dark Tourism hat in den letzten Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewonnen. Besonders Orte wie Tschernobyl, Ground Zero oder Hiroshima erleben seit Jahren einen starken Besucheranstieg. Gleichzeitig wird Dark Tourism oft kontrovers diskutiert, insbesondere wenn Orte touristisch vermarktet oder pietätlos behandelt werden.

Am Ground Zero markieren zwei grosse Wasserbecken mit eingravierten Namen der Opfer die Grundrisse der Zwillingstürme.

Historische Wurzeln von Dark Tourism

Obwohl Menschen schon seit Jahrhunderten Stätten des Todes und der Tragödie besuchen – sei es als Pilger, Historiker oder aus Neugier –, wurde der Begriff „Dark Tourism“ erst in den 1990er Jahren geprägt. Die britischen Tourismusforscher John Lennon und Malcolm Foley vertieften den Begriff in ihrem 2000 erschienenen Buch Dark Tourism: The Attraction of Death and Disaster

Auch wenn die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema neu ist, existiert die Praxis des Reisens zu tragischen Orten schon seit Jahrhunderten: In der Antike und im Mittelalter besuchten Menschen römische Gladiatorenkämpfe oder Hinrichtungsstätten, sei es aus religiösen oder unterhaltenden Motiven. Nach den napoleonischen Kriegen entwickelten sich Schlachtfelder wie Waterloo zu Pilgerstätten für Interessierte. Und im 20. Jahrhundert wurden ehemalige Konzentrationslager, Kriegsdenkmäler und Schlachtfelder zunehmend als Gedenkstätten besucht und bewusst als Mahnmale erhalten.

Die Faszination für den Tod reicht bis weit in die Antike zurück.

Gründe für Dunkle Reisen

Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche suchen nach einem tieferen historischen Verständnis, andere wollen das Unfassbare mit eigenen Augen sehen. Wieder andere sind auf der Suche nach einer besonderen Art von Nervenkitzel. Insbesondere Dark-Tourism-Orte, die schwer zugänglich sind, sind besonders reizvoll für Entdecker. Doch Dark Tourism ist mehr als bloss Sensationshunger – es ist eine Möglichkeit, sich mit den dunklen Kapiteln der Menschheitsgeschichte auseinanderzusetzen und das Andenken an vergangene Ereignisse zu bewahren. Die ethische Frage, wie man mit diesen Orten umgeht, bleibt jedoch ein zentraler Punkt in der Diskussion um Dark Tourism.

7 Dark Tourism Spots

The War Remnants Museum – Ho Chi Minh City, Vietnam

Das Museum eine der eindrucksvollsten und zugleich erschütterndsten Erinnerungsstätten des Vietnamkrieges. Es zeigt die Brutalität des Krieges aus vietnamesischer Perspektive und dokumentiert die verheerenden Folgen von Napalm, Agent Orange und Kriegsverbrechen. Neben eindrucksvollen Fotografien und Originaldokumenten sind auch Kriegsgeräte wie Panzer und Kampfflugzeuge ausgestellt. Die Ausstellung konfrontiert Besucher mit der grausamen Realität des Krieges und seinen langfristigen Folgen.

Tuol Sleng S21 & Killing Fields – Phnom Penh, Kambodscha

Das Tuol-Sleng-Genozid-Museum war einst eine Schule, die unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer in das Gefängnis S-21 umgewandelt wurde. Hier wurden Tausende Menschen gefoltert und hingerichtet. Die Killing Fields von Choeung Ek, etwas ausserhalb von Phnom Penh, sind eine der grössten Massengrabstätten aus dieser Zeit. Besucher sehen hier Massengräber, ein Mahnmal mit menschlichen Schädeln und erhalten einen Einblick in die brutalen Verbrechen der Diktatur von Pol Pot, die zwischen 1975 und 1979 etwa zwei Millionen Menschen das Leben kostete.

Semipalatinsk, Semei, Kasachstan

Semipalatinsk, heute Semei, war einst das Zentrum sowjetischer Atomtests. Zwischen 1949 und 1989 wurden hier über 450 Atomtests durchgeführt, oft ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Die Strahlung führte zu schweren gesundheitlichen Folgen für Tausende von Menschen. Besucher können heute das Sperrgebiet besichtigen, wo zerstörte Gebäude und Krater die Auswirkungen der Tests sichtbar machen. Die Stadt ist ein Mahnmal für die Risiken der Atomtechnologie.

Hohenschönhausen, Berlin, Deutschland

Die Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin war einst ein geheimes Stasi-Gefängnis der DDR. Hier wurden politische Gefangene unter unmenschlichen Bedingungen verhört, gefoltert und psychisch gebrochen. Heute können Besucher das Gefängnis im Rahmen von Führungen besichtigen, die oft von ehemaligen Häftlingen geleitet werden. Die Gedenkstätte gibt einen tiefen Einblick in die Mechanismen des Überwachungsstaats und die Methoden politischer Unterdrückung in der DDR.

Aokigahara Wald, Japan

Der Aokigahara-Wald, auch „Selbstmordwald“ genannt, liegt am Fusse des Mount Fuji und ist bekannt als einer der weltweit häufigsten Orte für Suizide. Seine dichte Vegetation, die Stille und zahlreiche tragische Geschichten verleihen ihm eine unheimliche Atmosphäre. Schilder mit Hilfsangeboten für suizidgefährdete Menschen sollen Besucher von verzweifelten Entscheidungen abhalten. Der Wald ist ein Ort voller Mythen, aber auch ein Mahnmal für die ernsten psychischen Probleme in der japanischen Gesellschaft.

Katakombenlabyrinth, Paris, Frankreich

Die Katakomben von Paris sind ein riesiges unterirdisches Tunnelsystem, in dem die sterblichen Überreste von etwa sechs Millionen Menschen lagern. Ursprünglich als Steinbruch genutzt, wurde das System im 18. Jahrhundert zur Beinhaus-Stadt umfunktioniert, da die Friedhöfe überfüllt waren. Heute sind Teile der Katakomben für Besucher zugänglich und bieten einen gespenstischen Einblick in die Geschichte der Stadt und den Umgang mit dem Tod.

Konzentrationslager, Auschwitz, Polen

Das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau war das grösste Lager des NS-Regimes und der zentrale Ort des Holocaust. Über 1,1 Millionen Menschen, überwiegend Juden, wurden hier zwischen 1940 und 1945 ermordet. Heute ist Auschwitz eine Gedenkstätte und Mahnmal, das aus den erhaltenen Lagerkomplexen Auschwitz I und Auschwitz II-Birkenau besteht. Besucher sehen dort Baracken, Gaskammern, persönliche Gegenstände der Opfer und die bekannte Eingangspforte mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“. Millionen besuchen jährlich diesen Ort, um der Opfer zu gedenken und aus der Geschichte zu lernen.

Beim Besuch solcher Orte sollte man stets bedenken, dass sie nicht blosse Sehenswürdigkeiten, sondern Stätten des Gedenkens und des Leids sind – sie verdienen unser tiefstes Mitgefühl, respektvolles Verhalten und eine reflektierte Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte.

Bildquellen: Pixabay

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