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mycation Contributor Janina reiste durch Peru und besuchte die Urus.

Die Luft ist dünn, die Landschaft surreal und die Gastfreundschaft herzlich: Ich bin bei den Urus am schimmernden Titicacasee. Mein Abenteuer führt mich nicht nur auf 3’800 Meter über Meer, sondern auch in eine Welt voller Traditionen einer Kultur, die noch älter ist als die der Inkas und Mayas.

Tag 1:

Ankunft, Sonnenuntergang und Kuscheldecken-Challenge

In Puno werde ich von meinem Gastgeber Manuel mit einem kleinen Boot abgeholt. Der erste Blick auf den See ist atemberaubend: glitzerndes Wasser erstreckt sich bis zum Horizont und wird von den Anden umrahmt. Während der kurzen Überfahrt merke ich, wie mein Schädel brummt und mir leicht schwindelig wird – typische Symptome der Höhenkrankheit, die mich zu einem dringend benötigten Nickerchen zwingen, sobald ich mein charmantes Häuschen auf der Schilfinsel betrete.

Nach einer kurzen Pause fühle ich mich bedeutend besser, und Manuel lädt mich zu einer privaten Rundfahrt um die Schilfinseln ein. Leidenschaftlich erklärt er die Kunst des Inselbaus: Die Totora-Schilfinseln werden Schicht für Schicht aufgebaut, müssen ständig gepflegt werden und können, je nach Engagement der Bewohnerinnen und Bewohner, bis zu 300 Jahre bestehen. Ich erfahre, dass jede Inselgruppe wie ein Dorf mit eigenen Schulen, Kirchen, Minimärkten und sogar Sportplätzen funktioniert. Die enge Gemeinschaft der Urus beeindruckt mich. 

Kurz nach dem Sonnenuntergang, der die Landschaft in alle erdenklichen Rosa- und Orangetöne taucht, gibt es Abendessen. Jhene, die Frau meines Gastgebers, hat ein köstliches Menü aus fangfrischer Forelle, Quinoa und Pommes frites zubereitet. Wir essen in einem kleinen, gemütlichen Raum hinter dem Airbnb. Nach dem Essen schaue ich in den klaren Sternenhimmel und bin fasziniert: Ohne Lichtverschmutzung leuchten die Sterne heller als je zuvor! Ich geniesse den Moment absoluter Ruhe.

Die Nacht ist allerdings temperaturtechnisch eine Herausforderung: Mit sieben (!) Decken und Thermounterwäsche versuche ich, den eisigen Temperaturen zu trotzen. Zum Glück gibt es einen kleinen Gasofen, der für etwas Wärme sorgt. Mein Tipp? Unbedingt eine Unterkunft mit Heizung buchen und so viele Schichten einpacken, wie in den Koffer passen.

Tag 2:

Strickende Männer und die Insel Taquile

Der Morgen beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück und einem unvergleichlichen Blick auf den See. Danach probiere ich die traditionelle Kleidung der Urus an: Eine bunte Mischung aus fein gewebten Stoffen und kunstvollen Stickereien. Die Mutter meiner Gastgeber gesellt sich zu mir und erzählt Geschichten zu den Mustern und Symbolen. Ich erfahre von ihren pflanzlichen Heilmitteln wie der Totora-Blüte «Chumi» und vom Alltag ohne Kühlschrank und Mikrowelle. Nachdem mir über Nacht die eisigen Temperaturen bewusst geworden sind, interessiert mich nun besonders, wie die Einheimischen mit der Kälte umgehen. Etwas irritiert blicke ich auf ihre nackten Füsse in den Sandalen. “Uns wurde schon als Kinder gesagt, wir sollen viel Fisch essen, wie die Pinguine, die frieren schliesslich auch nicht.” Wir lachen beide. 

Janina probiert die traditionelle Kleidung der Urus.

Am späten Vormittag fahre ich mit einer bei meinen Gastgebern Manuel und Jhene gebuchten Tour zusammen mit etwa 20 anderen Touristen auf die Insel Taquile, die für ihre einzigartigen Bräuche bekannt ist. Hier stricken die Männer – und das auf beeindruckend hohem Niveau! Der Guide erklärt, dass Stricken als Kunstform gilt und die Qualität der Arbeit über den sozialen Status eines Mannes entscheiden kann. Bei einer Demonstration wird mir später gezeigt, wie die Stoffe mit einem speziellen Shampoo aus Pflanzenextrakten gereinigt werden. Offenbar soll es auch grauen Haaren vorbeugen. Ist es Zufall, dass ich bei keinem Einheimischen auch nur ein graues Haar entdecke? Mythos oder Wahrheit, das Shampoo riecht frisch und hinterlässt einen Hauch von Natur in der Luft.

Auf Taquile gibt es keine Hotels, da die Bewohnerinnen und Bewohner die Insel für sich behalten wollen. Auch eine Polizeistation fehlt, Gewalt gibt es laut den Einheimischen nicht. Die Gemeinschaft lebt nach den Regeln der Inkas: „Nicht faul sein, nicht stehlen, nicht lügen“. Bei meinem Spaziergang durch die Hügel sehe ich Männer und Frauen in traditioneller Kleidung, die ihre Kultur mit Stolz tragen. Nach einem leckeren Mittagessen mit frischem Fisch und Kartoffeln verabschiede ich mich von dieser besonderen Insel und mache mich auf den Rückweg nach Puno.

Die zwei Tage bei den Urus waren nicht nur eine einzigartige Mischung aus Kultur, Natur und Kälte, sondern werden auch dir, so wie mir, als Highlight in Erinnerung bleiben. Ach ja, und falls du Bauchschmerzen bekommst: Frag nach Chumi, der magischen Totora-Blume. Aber Vorsicht für alle Frauen: Sie wirkt wie die Pille danach!

Mit Kamera und Herz voller Eindrücke geht es für mich weiter. Auf nach Cusco, das Abenteuer ruft!

Janina Marisa Schenker

Meine ideale Vacation ist die Connectioncation. Am glücklichsten bin ich, wenn ich mit Einheimischen in Verbindung trete und tief in ihre Kultur eintauche. Für mycation entdecke ich als reisende Journalistin die Geheimtipps und versteckten Juwelen Lateinamerikas und der Welt.

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