mycation Contributor Janina hat das Land der Inkas nicht nur bereist, sondern auch mehrere Monate in Peru gewohnt. Dabei stellte sie fest, dass die Traditionen der indigenen Völker hier nicht nur lebendig sind, sondern oft den Alltag prägen. In ihrem Reisebericht erzählt sie von ihrem persönlichen kulturellen Highlight: dem Besuch bei den Urus, einer ethnischen Gruppe Indigener am höchsten schiffbaren See der Welt. Die Urus leben noch heute auf ihren schwimmenden Schilfinseln am Titicacasee und bewahren dabei ihre Sprache, Bräuche und den einzigartigen Lebensstil, der eng mit der Natur verbunden ist.

Die Luft ist dünn, die Landschaft surreal und die Gastfreundschaft herzlich: Ich bin bei den Urus am schimmernden Titicacasee. Mein Abenteuer führt mich nicht nur auf 3’800 Meter über Meer, sondern auch in eine Welt voller Traditionen einer Kultur, die noch älter ist als die der Inkas und Mayas.
Tag 1:
Ankunft, Sonnenuntergang und Kuscheldecken-Challenge
In Puno werde ich von meinem Gastgeber Manuel mit einem kleinen Boot abgeholt. Der erste Blick auf den See ist atemberaubend: glitzerndes Wasser erstreckt sich bis zum Horizont und wird von den Anden umrahmt. Während der kurzen Überfahrt merke ich, wie mein Schädel brummt und mir leicht schwindelig wird – typische Symptome der Höhenkrankheit, die mich zu einem dringend benötigten Nickerchen zwingen, sobald ich mein charmantes Häuschen auf der Schilfinsel betrete.
Janinas Tipps gegen Höhenkrankheit
- Schlecke Cocabonbons, trink Cocatee oder kaue Cocablätter.
Nimm das Produkt deiner Wahl bereits am Vorabend vor deiner Ankunft in Puno. In Apotheken gibt es zudem Pillen mit Cocaextrakt, die gegen Höhenkrankheit helfen können. - Iss leichte Speisen und vermeide Alkohol sowie Zigaretten.
Die Höhe kann deinen Körper bereits herausfordern, daher solltest du ihn nicht noch zusätzlich mit fettigem Essen, Cocktails oder Nikotin belasten. - Esse, bevor du Hunger hast.
Das mag seltsam klingen, doch durch die Höhe hast du allenfalls weniger Appetit, der Körper benötigt dennoch Nahrung. - Gönne dir Zeit zum Akklimatisieren.
Am Ankunftstag solltest du dich physisch nicht überanstrengen, sondern dir Ruhe gönnen - Greife zu Kopfschmerztabletten.
Helfen dir die vier ersten Tipps nicht und du hast trotzdem noch Symptome, kannst du zu Medikamenten gegen Kopfschmerzen greifen. Ich habe es in Puno selbst ausprobiert und die Symptome meiner Höhenkrankheit waren innert kürzester Zeit verflogen.
Nach einer kurzen Pause fühle ich mich bedeutend besser, und Manuel lädt mich zu einer privaten Rundfahrt um die Schilfinseln ein. Leidenschaftlich erklärt er die Kunst des Inselbaus: Die Totora-Schilfinseln werden Schicht für Schicht aufgebaut, müssen ständig gepflegt werden und können, je nach Engagement der Bewohnerinnen und Bewohner, bis zu 300 Jahre bestehen. Ich erfahre, dass jede Inselgruppe wie ein Dorf mit eigenen Schulen, Kirchen, Minimärkten und sogar Sportplätzen funktioniert. Die enge Gemeinschaft der Urus beeindruckt mich.




Highlights eines Besuchs der Urus am Titicacasee
- Schwimmende Inseln aus Totora-Schilf
- Traditioneller Lebensstil ohne Kühlschränke oder Mikrowellen
- Atemberaubende Sonnenuntergänge auf 3’800 Metern über Meer
- Einblicke in den Bau und die Pflege der Inseln
- Gastfreundschaft und hausgemachte, frische Mahlzeiten
- Sternenklare Nächte ohne Lichtverschmutzung
Kurz nach dem Sonnenuntergang, der die Landschaft in alle erdenklichen Rosa- und Orangetöne taucht, gibt es Abendessen. Jhene, die Frau meines Gastgebers, hat ein köstliches Menü aus fangfrischer Forelle, Quinoa und Pommes frites zubereitet. Wir essen in einem kleinen, gemütlichen Raum hinter dem Airbnb. Nach dem Essen schaue ich in den klaren Sternenhimmel und bin fasziniert: Ohne Lichtverschmutzung leuchten die Sterne heller als je zuvor! Ich geniesse den Moment absoluter Ruhe.
Die Nacht ist allerdings temperaturtechnisch eine Herausforderung: Mit sieben (!) Decken und Thermounterwäsche versuche ich, den eisigen Temperaturen zu trotzen. Zum Glück gibt es einen kleinen Gasofen, der für etwas Wärme sorgt. Mein Tipp? Unbedingt eine Unterkunft mit Heizung buchen und so viele Schichten einpacken, wie in den Koffer passen.



Janinas Geheimtipps für dein Abenteuer bei den Urus
- An- und Weiterreise: Folgst du meiner empfohlenen Reiseroute, nimmst du für die Anreise am besten einen Nachtbus der Busgesellschaft Cruz del Sur ab Arequipa und buchst dir für die Weiterreise einen weiteren Nachtbus nach Cusco. Da Puno an der Grenze zu Bolivien liegt, könntest du auch einen Abstecher nach Copacabana oder La Paz machen.
- Drohnenfliegen erlaubt, aber mit Vorsicht: Am Titicacasee darfst du fliegen, aber die Höhe von 3.800 Metern erfordert Fingerspitzengefühl.
- Airbnb buchen: Für die Übernachtung bei den Urus stehen dir auf Airbnb verschiedene Unterkünfte zur Verfügung. Ich hatte diese Unterkunft für CHF 46 reserviert und war sehr zufrieden.
- Bringe ein kleines Gastgeschenk mit: Die Urus leben sehr simpel und sind grösstenteils Selbstversorger. Umso mehr freuen sie sich über ein kleines, persönliches Gastgeschenk. Wie wäre es mit Schweizer Schokolade? Diese schmilzt bei den eisigen Temperaturen bestimmt nicht!
Tag 2:
Strickende Männer und die Insel Taquile
Der Morgen beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück und einem unvergleichlichen Blick auf den See. Danach probiere ich die traditionelle Kleidung der Urus an: Eine bunte Mischung aus fein gewebten Stoffen und kunstvollen Stickereien. Die Mutter meiner Gastgeber gesellt sich zu mir und erzählt Geschichten zu den Mustern und Symbolen. Ich erfahre von ihren pflanzlichen Heilmitteln wie der Totora-Blüte «Chumi» und vom Alltag ohne Kühlschrank und Mikrowelle. Nachdem mir über Nacht die eisigen Temperaturen bewusst geworden sind, interessiert mich nun besonders, wie die Einheimischen mit der Kälte umgehen. Etwas irritiert blicke ich auf ihre nackten Füsse in den Sandalen. “Uns wurde schon als Kinder gesagt, wir sollen viel Fisch essen, wie die Pinguine, die frieren schliesslich auch nicht.” Wir lachen beide.

Beste Reisezeit
- Trockenzeit: Mai bis Oktober
klares Wetter und angenehme Temperaturen. - Regenzeit: November bis April
oft weniger Touristen, aber gelegentlich Regenschauer. - Temperaturen: Morgens und abends meist wenige Plusgrade oder unter null. Tagsüber kann es zwischen 13 und 17 Grad warm werden.
Am späten Vormittag fahre ich mit einer bei meinen Gastgebern Manuel und Jhene gebuchten Tour zusammen mit etwa 20 anderen Touristen auf die Insel Taquile, die für ihre einzigartigen Bräuche bekannt ist. Hier stricken die Männer – und das auf beeindruckend hohem Niveau! Der Guide erklärt, dass Stricken als Kunstform gilt und die Qualität der Arbeit über den sozialen Status eines Mannes entscheiden kann. Bei einer Demonstration wird mir später gezeigt, wie die Stoffe mit einem speziellen Shampoo aus Pflanzenextrakten gereinigt werden. Offenbar soll es auch grauen Haaren vorbeugen. Ist es Zufall, dass ich bei keinem Einheimischen auch nur ein graues Haar entdecke? Mythos oder Wahrheit, das Shampoo riecht frisch und hinterlässt einen Hauch von Natur in der Luft.



Für Sprachtalente: Basics in Aymara und Quechua
Lerne ein paar Wörter in Aymara oder Quechua, tauche tiefer in die Kultur ein und ernte von den Urus einen überraschten Blick oder ein Lächeln.
Aymara
- Hallo, wie geht es dir? – Kamisaraki
- Danke – Yuspagara
- Wir sehen uns! (tschüss existiert nicht) – Jikisiñkama
- Ja – Jisa
- Nein – Janiwa
Quechua
- Hallo (formal) – Rimaykullayki
- Danke – Sulpayki
- Auf Wiedersehen (tschüss existiert nicht) – Tupananchiskama
- Ja – Arí
- Nein – Mana
Was bedeutet Titicaca in Aymara und Quechua?
Der Name „Titicaca“ bedeutet in Aymara „Puma-Felsen“ („Titi“ = Puma, „karka“ = Felsen) und in Quechua „bleifarbener Felsen“ („Titi“ = Blei oder Puma, „qaqa“ = Felsen).
Auf Taquile gibt es keine Hotels, da die Bewohnerinnen und Bewohner die Insel für sich behalten wollen. Auch eine Polizeistation fehlt, Gewalt gibt es laut den Einheimischen nicht. Die Gemeinschaft lebt nach den Regeln der Inkas: „Nicht faul sein, nicht stehlen, nicht lügen“. Bei meinem Spaziergang durch die Hügel sehe ich Männer und Frauen in traditioneller Kleidung, die ihre Kultur mit Stolz tragen. Nach einem leckeren Mittagessen mit frischem Fisch und Kartoffeln verabschiede ich mich von dieser besonderen Insel und mache mich auf den Rückweg nach Puno.





Die zwei Tage bei den Urus waren nicht nur eine einzigartige Mischung aus Kultur, Natur und Kälte, sondern werden auch dir, so wie mir, als Highlight in Erinnerung bleiben. Ach ja, und falls du Bauchschmerzen bekommst: Frag nach Chumi, der magischen Totora-Blume. Aber Vorsicht für alle Frauen: Sie wirkt wie die Pille danach!
Mit Kamera und Herz voller Eindrücke geht es für mich weiter. Auf nach Cusco, das Abenteuer ruft!
Kosten für zwei Tage
- Unterkunft: Ein AirBnB auf der Insel kostet ca. CHF 50 /Nacht (inkl. Frühstück und Abendessen)
- Bootsfahrt: Hin- und Rückfahrten für rund CHF 15
- Tagestour Taquile: inkl. Mittagessen kosten etwa. CHF 30
- Gesamtkosten: etwa CHF 95 pro Person